Mal eine Wette: In ein paar Jahren wird es handyfreie Zonen geben, genauso wie es heute raucherfreie Zonen gibt. Die EU wird Gutachten über den Stressfaktor Mobilfunkbimmelei in Auftrag geben, einheitliche Schutzstandards definieren und bürgerfreundliche Regulierungen vorschlagen. Es dauert eben eine Weile, so die Lehren des Nikotins, bis gewisse Kulturpraktiken als gesundheitsschädlich anerkannt und abgestellt werden.
Schulen, das zeigt sich währenddessen auch in Sachen Handysucht, verdeutlichen uns gesamtgesellschaftliche Fehlentwicklungen wie unterm Brennglas.
In einer ruhigen Stunde an einem Ort im nördlichen Norddeutschland, wo man glückerlicher Weise nur die Wildgänse rauschen hört, erzählte mir ein Freund – er ist seit kurzem Lehrer an einer Gesamtschule – folgende Geschichte: Er habe neulich in einer Unterrichtsstunde innerhalb von drei Minuten “die fünf möglichen Störungen durch Mobiltelefone” erlebt.
Als erstes, berichtet er, klingelte beim einem Schüler das Handy. Als der Freund den jungen Mann bat, das sich anschließende Gespräch (!) zu beenden, bemerkte er, wie unter der Nebentischplatte ein Nachbar damit beschäftigt war, eine sms zu verfassen. Zwei andere Schüler sahen sich ein Pornofilmchen auf dem Display an.
Noch bevor der Freund mit all seiner Autorität durchgreifen konnte, vernahm er hinter sich eine seltsam blechernen Türkpopp-Melodie. Er stammte – Sie ahnen es – aus einem Handy, dessen Besitzer mit demselben auf den Tisch gestiegen war, um einen geschmeidigen Hüfttanz vorzuführen. Den Versuch des Freundes, den jungen Mann zum Herunterkommen zu bewegen, dokumentierte ein fünfter Beteiligter mit seiner Handykamera.
“Was soll ich machen?”, fragt der Freund. “Wenn ich in so einer Situation ausflippe, landet das Video nachher bei YouTube.” Er gebe schon Kollegen, denen das passiert sei.
Ich redete dem Freund zu: Mach es öffentlich! Prangere es an! Erzähl den Menschen von deinem Schicksal! Die Risiken und Nebenwirkungen des Handymissbrauchs, die gehen schließlich uns alle an.