Wie lautete noch eines der Hauptargumente der Europäer gegen den Irakkrieg? Amerika gehe es in Wahrheit nur um die Bodenschätze des Landes? Heute, fünf Jahre nach der Invasion, geht es auch den Europäern um Öl aus Gas aus Saddams Ex-Reich.
„Die Verhandlungen laufen sehr gut“, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso kürzlich nach einem Geschäftsbesuch des irakischen Ministerpräsidenten in Brüssel. Die Europäische Union hofft, mit dem Irak schon bald ein Abkommen über Gaslieferungen abzuschließen, um ihre Nabucco-Pipeline zu befüllen. Mit der Röhre wollen die Europäer bis 2012 oder 2013 einen Bypass um Russland legen. Sie soll über 3300 Kilometer vom Kaspischen Meer über die Türkei nach Österreich verlaufen und wäre, wenn man so möchte, die stahlgewordene Unabhängigkeitserklärung Europas vom Staatsmonopolkapitalimus (kurz: Gazprom) des Kreml.
Während Russen und Chinesen den Irak längst als Zapfstelle betrachten, waren europäische Firmen bislang zögerlich, die menschlichen und finanzielle Gefahren auf sich zu nehmen, welche Ölerkundungen im Bürgerkriegsfeuer mit sich bringen.
Doch nun sorgen die steigenden Öl- und Gaspreise auch bei Europas Multis für eine gewagtere Risikoeinschätzung.
Firmen aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Norwegen drängen ins Zweistromland, berichtet ein Insider in einer Brüsseler Zentrale. „Alle Großen haben den Irak auf der Karte. Wenn Sie es Ihren Lesern deutlich machen wollen, sagen Sie ruhig: Es herrscht ein ziemlicher Konkurrenzdruck.“
Der deutsche Energiexperte Frank Umbach glaubt, die Europäer hätten erkannt, dass sie im Wettlauf um die irakischen Reserven nicht dieselben Fehler machen dürfen, die ihnen anderswo bereits unterlaufen sind: „Sie müssen jetzt ihre Pflöcke einschlagen, sonst könnten sie zu spät kommen, wie in Zentralasien.“
Turkmenistan etwa hat kürzlich einen Vertrag mit Gazprom über Öllieferungen geschlossen – damit wird es für die Europäer auf absehbare Zeit schwierig, als Zweitempfänger einzutreten. Immerhin sagte die turkmenische Regierung vergangene Woche zu, jährlich 10 Milliarden Kubikmeter Erdgas an die EU zu liefern – sollte die Nabucco-Trasse irgendwann stehen. Viel ist das nicht. Die EU rechnet aufgrund des Verbrauchsanstiegs damit, dass sie im Jahr 2020 620 Milliarden Kubmeter brauchen wird, 500 Milliarden davon aus dem Ausland. Nabucco hätte eine jährliche Kapazität von 31 Milliarden Kubikmetern. Doch die EU-Kommission hofft, damit immerhin den Wettbewerb auf dem Gasmarkt befeuern zu können.
Gegenüber dem Irak sieht die EU freilich auch die Chance, mit einem Energieabkommen zugleich Entwicklungsarbeit zu leisten. Die haben Russen und Chinesen dort sicher weniger im Sinn. Der Irak, sagte Kommissionschef Barroso, könne auf die Solidarität der EU zählen, um ein „friedliches, demokratisches Land“ aufzubauen. Der Premier aus Bagdad zeigte sich entzückt. Schon im Mai will er seinen Ölminister nach Brüssel schicken.