In Deutschland wird viel darüber berichtet, wie Chinesen in Massen auf den afrikanischen Kontinent strömen, investieren, Straßen bauen und die kostbaren Rohstoffe abschöpfen. Dass der Handelsstrom aber längst in beide Richtungen geht, ist viel weniger bekannt. Im alten Teil der Hafenstadt Guangzhou beispielsweise gibt es im Viertel Xiaobei einen großen afrikanischen Kleidermarkt. Längst hat sich im ganzen Land herumgesprochen: Xiaobei ist das Viertel von Chinas Afrikanern.
Zwischen 20.000 und 100.000 Afrikanerinnen und Afrikaner sind es allein in Guangzhou, neben Peking, Schanghai und Shenzhen die wirtschaftsstärkste Metropole in der Volksrepublik. Sie kaufen säckeweise Unterwäsche, T-Shirts, Jeans und Plastiksandalen, verschiffen sie in ihre Heimatländer und verkaufen die Ware dort wieder.
Isaac aus Gabun etwa, der auf dem Markt in Xiaobei Geschäfte macht. Ich musste ihn auf französisch ansprechen. Denn der 29-Jährige spricht weder Kantonesisch noch Mandarin. Und auch sein Englisch war schlecht. „Ca ne fait rien“, antwortete er. Das mache nichts. Den Taschenrechner verstehe hier jeder.
Eine Unterhose kostet ihn sechs Yuan, rechnet Isaac mir vor, nachdem er der chinesischen Verkäuferin 100 weiße Unterhosen abgenommen hat. Auf dem Markt in Libreville in Gabun könne er sie umgerechnet für etwa acht verkaufen. Pro verkaufter Ladung kämen auf diese Weise schon einige Tausend Dollar zusammen. Die Chinesin möchte ihm auch dunkle Unterhosen anbieten. Isaac winkt ab. Schwarz auf schwarz – das verkaufe sich bei Afrikanern schlecht.
Der Handel zwischen China und Afrika boomt. Seit Anfang des Jahrtausends hat die Volksrepublik den Handel mit dem afrikanischen Kontinent um durchschnittlich 32 Prozent pro Jahr gesteigert. Allein das Erdölland Angola verzeichnet im ersten Quartal 2012 einen Anstieg des Handels mit China um 40,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zwischen Mosambik und der Volksrepublik liegt der Zuwachs sogar bei 45,8 Prozent. Insgesamt hat sich das Handelsvolumen nach Angaben der chinesischen Regierung zwischen 2006 und 2011 auf zuletzt 166 Milliarden Dollar verdreifacht. 2009 hat China die USA als größten Handelspartner Afrikas abgelöst.
Interessant sind auch die damit verbundenen Wanderungsströme: Schätzungen zufolge hielten sich 2011 insgesamt mehr als eine Million Chinesen in Afrika auf. Mit einer Viertel Million zieht Südafrika die meisten Chinesen an, allein in Kapstadt leben über 10.000 Chinesen. Angola zählt 200.000, Nigeria 150.000, Simbabwe, Sudan und Madagaskar jeweils 50.000.
Der Aufenthalt ist aber meist nicht von Dauer. So wenig die Chinesen Interesse haben, sich dauerhaft in Afrika niederzulassen, so gering ist auch die Lust der Afrikaner, komplett nach China auszuwandern.
Ein Cousin von mir aus Nanjing etwa hat vergangenes Jahr zehn Monate in Ägypten verbracht. Ich fragte ihn: Warum ausgerechnet Ägypten? Er antwortete: Nach dem Sturz Mubaraks habe es keine vernünftige Regierung gegeben – womit auch die Einreisebestimmungen lax gehandhabt wurden. So wie er hätten sich daraufhin Tausende aus China auf den Weg nach Ägypten gemacht.
Mein Cousin nahm einen Container mit Maschinen und Elektroartikeln mit und blieb so lange, bis er alles verkauft hatte. Ob ihm Ägypten gefallen habe? Überhaupt nicht: Die Hitze, das Essen, Verständigungsprobleme – er habe aber gut verdient.
Europäer und die USA schauen eher mit Argwohn auf die neue Handelsachse Afrika–Fernost. Viele Nichtregierungsorganisationen werfen den Chinesen vor, sie seien nur an den Bodenschätzen interessiert, aber weder an Umweltschutz oder Menschenrechten noch an einer wirklichen Entwicklung des Kontinents.
Da ist sicherlich eine Menge dran. Nur: Erst seit die Chinesen Afrika als Handelspartner entdeckt haben, geht es mit dem Kontinent wirtschaftlich nach mehr als zwei Jahrzehnten weitgehender Stagnation wieder bergauf – und zwar flächendeckend. Während westliche Unternehmen bereits in den neunziger Jahren Afrika als verloren und hoffnungslos abgestempelt haben, fragte sich vor einigen Jahren selbst noch eine bekannte Hilfsorganisation, ob ihre Entwicklungspolitik in Afrika angesichts von Bürgerkriegen, korrupten Regierungen und Hungersnöte nicht gescheitert sei. Und auch der angolanische Ökonom José Cerqueira hat kritisiert, dass die IWF-Hilfe stets an ideologische Bedingungen geknüpft sei: „Für sie sollen wir Ohren haben, aber keinen Mund.“
China leistet zwar auch Entwicklungshilfe. So hat Chinas Präsident Hu Jintao allein beim jüngsten China-Afrika-Gipfel vor zwei Wochen versprochen, die Entwicklungshilfe in den kommenden drei Jahren auf 20 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Und das Geld soll nicht nur dem Bau von Straßen, Pipelines und Hafenanlagen für den besseren Abtransport der Rohstoffe dienen. Den Bau von Schulen, Krankenhäusern und Kultureinrichtungen, aber auch der neuen Zentrale der Afrikanischen Union in Addis Abeba hat Peking bereits finanziert.
Vor allem aber machen Chinesen Geschäfte mit den Afrikanern. Und dabei wird knallhart verhandelt. Das jedoch immerhin auf Augenhöhe.