Zuweilen denke ich: Einige westliche Beobachter auf China bilden sich ganz schön was ein. Da wettern sie jahrelang gegen die Chinesen und behaupten, die chinesische Währung, der Yuan, sei unterbewertet. Die Volksrepublik würde sich auf diesem Wege Exportvorteile verschaffen. Dann hält die chinesische Zentralbank die chinesische Wirtschaft für robust genug und lässt den an den US-Dollar gekoppelten Yuan um ein Prozent schwanken; der Yuan wertet zum Dollar und Euro tatsächlich etwas auf. Der Westen glaubt, allein der Druck des Westens hätte Chinas Zentralbank dazu gebracht.
Vergangene Woche erörterte die staatliche Zeitung China Securities Journal in einem Artikel die Frage, welche Folgen es hätte, wenn der Wert des Yuan nach Jahren der Aufwertung wieder fällt. Prompt schlägt der Westen Alarm: China werte wieder gezielt ab.
Abgesehen davon, dass auch in den chinesischen Staatsmedien gerade in wirtschaftspolitischen Fragen inzwischen sehr viele unterschiedliche Einschätzungen und Forderungen kursieren und sie deswegen schon lange nicht mehr automatisch offizielle Politik darstellen – was für eine Vereinfachung. Schon den Vorwurf der angeblichen Unterbewertung halte ich für eine übertriebene Behauptung, die vor allem gerne von den angelsächsischen Medien lanciert wird, die von der eigenen industriellen Schwäche ablenken soll. Diesen Sektor haben die USA und die Briten in den vergangenen 20 Jahren mehr oder weniger selbstverschuldet sukzessive demontiert.
Ja, Produkte „Made in China“ sind auf den Weltmärkten sehr viel günstiger als Produkte aus den USA, Großbritannien oder Deutschland. Aber dafür dem Yuan-Kurs die Schuld zu geben?
Richtig ist: Die Chinesen produzieren sehr viel günstiger als Betriebe in den etablierten Industrieländern. Und richtig ist auch, dass chinesische Arbeiterinnen und Arbeiter immer noch sehr viel weniger Lohn erhalten als ihre Kollegen im Westen. Aber das hat vor allem mit dem Entwicklungsniveau des Landes zu tun und nicht so sehr mit der Höhe des Yuan.
Nach wie vor gibt es in der Volksrepublik ganze Landstriche, in denen die Menschen einen ähnlich niedrigen Lebensstandard haben wie vor 20 oder 30 Jahren. Der durchschnittliche Lohn liegt bei unter 100 Euro im Monat. Wenn Unternehmer aus aller Welt in diesen Regionen Produktionsstätten errichten, dann kommen sie genau aus diesem Grund. Denn läge das Lohnniveau auf der Höhe der USA würden sie wegbleiben. Erst mit zunehmender Entwicklung des industriellen und terziären Sektors, den Dienstleistungen, steigen die Lebenskosten und damit zumeist auch die Löhne. Dieser Prozess jedoch dauert. Und solange er anhält, haben diese Regionen aus Unternehmersicht diesen Kostenvorteil.
Chinas Zentralbank hat in den wirtschaftlichen Boomjahren 2010 und 2011 gesehen, dass es der Volkswirtschaft nicht schaden würde, den an den Dollar gekoppelten Yuan zu flexibilisieren. Die Hoffnung dabei: Schwankungen nach etwas mehr marktwirtschaftlichen Kriterien könnten vielleicht ein wenig mehr für Balance im Außenhandel sorgen.
Genau diese Flexibilisierung hat jedoch auch zur Folge, dass der Wert der Währung fällt, sollte es mit der Wirtschaft nicht mehr ganz so rund laufen. Genau das ist momentan der Fall. China verbuchte im zweiten Quartal dieses Jahres mit 7,6 Prozent sein schwächstes Wachstum seit drei Jahren. Da ist es kein Wunder, dass Investoren erwägen, nicht mehr ganz so viel Kapital in die Volksrepublik zu pumpen. Damit würde auch die Nachfrage nach der chinesischen Währung sinken.
Momentan liegen 100 Yuan bei rund 12,80 Euro, so hoch wie seit der Einführung des Euro vor zehn Jahren nicht. Wir wissen: Das hat mit der Schwäche des Euro zu tun. Da wirft nun auch niemand den Euroländern vor, sie würden ihre Währung mit Absicht gezielt unterbewerten.