Die Rede von Chinas Noch-Staatschef Hu Jintao schien auf den ersten Eindruck recht langweilig. In alter Parteimanier betete er zum Auftakt des 18. Parteitags am Donnerstag in monotoner Stimme das theoretische Grundgerüst von Chinas KP herunter: das Festhalten am Marxismus-Leninismus, den Gedanken Mao Zedongs, den Deng Xiaoping-Theorien, dem Sozialismus chinesischer Prägung und so weiter. Hu hatte keine Viertelstunde gesprochen, da war der erste der 2.268 Delegierten in der Großen Halle des Volkes eingenickt.
Dabei hatte es die rund 90-minütige Rede des Vorsitzenden durchaus in sich. Nach den jüngsten Skandalen bis hinauf in die Parteispitze prangerte er in deutlichen Worten die ausufernde Korruption und Selbstbereicherung seiner Genossen an. Namen nannte er zwar nicht. Aber er sprach von Unmoral und davon, dass so manch ein Kader vom Kurs abgekommen sei und ein „schwaches Bewusstsein“ habe. Er sprach von „Extravaganz und Verschwendung“.
Noch ein weiterer Punkt seiner Rede verdient Erwähnung: Er versprach nichts Geringeres als die Verdoppelung der Wirtschaftsleistung und des Pro-Kopf-Einkommens bis 2020 – und zwar im Vergleich zu 2010. Bis zum 100. Gründungstag der Kommunistischen Partei im Jahr 2021 könnte „der Aufbau eines modernen sozialistischen Landes, das reich, stark, demokratisch, zivilisiert und harmonisch“ ist, realisiert werden. Hu sprach von „bescheidenem Wohlstand“.
Das Versprechen klingt kühn und ambitioniert. Zumindest der erste Teil ist aber ganz und gar nicht unrealistisch. Im Gegenteil.
Chinas Wirtschaft hat bereits in den vergangenen 20 Jahren fast zweistellige Wachstumsraten hinter sich. 2004, also vor acht Jahren, betrug das Pro-Kopf-Einkommen rund 3.600 Dollar. 2010 lag es bereits bei 8.300. Es hat sich innerhalb von sechs Jahren also schon einmal verdoppelt. Wenn das durchschnittliche Einkommen innerhalb der nächsten ein, zwei Jahre die 10.000 Dollar-Grenze überschreiten und bis 2020 bei mehr als 16.000 Dollar liegen soll, dann genügt es, wenn die Wirtschaft jährlich um rund 7,2 Prozent wächst. Das ist durchaus realistisch.
Obwohl die Exporte in den Sommermonaten eingebrochen sind und es um die Wirtschaft zumindest im Vergleich zu den Jahren zuvor tatsächlich nicht mehr zum Besten steht, lag das Wachstum der chinesischen Wirtschaft im dritten Quartal weiterhin bei 7,4 Prozent. Und das ist bereits der schwächste Wert seit drei Jahren. Die Regierung selbst geht für das Gesamtjahr 2012 von 7,5 Prozent aus. Auch internationale Ökonomen rechnen damit, dass Chinas Wirtschaft in den kommenden Jahren wieder leicht anziehen wird.
Bleibt es bei diesen sieben bis acht Prozent, ist das zwar immer noch sehr viel weniger als die zweistelligen Wachstumsraten der vergangenen zwei Jahrzehnte. Angesichts der Umweltschäden und zum Teil überhitzten Märkte waren diese Jahre aber auch nicht uneingeschränkte gute für China.
Die Volksrepublik ist in kurzer Zeit wirtschaftlich groß und mächtig geworden. Ein reiches Industrieland ist China aber noch lange nicht. Das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen liegt noch immer bei einem Viertel dessen, was Japaner oder Deutschen verdienen. Der Nachholbedarf bleibt groß. Das weiß Hu. So kühn daher sein Versprechen klingt – es ist realistisch.
Was Hu mit seiner Ankündigung auch sagen will: Die KP wird auch nach 2020 in China die Fäden in der Hand halten.