Chinas neues Staatsoberhaupt Xi Jinping ist ein Strahlemann, er lächelt viel und gern. Allein das ist wirklich erfrischend. Seine Vorgänger haben gerne ihre Reden stocksteif vom Blatt abgelesen, jedes Zucken der Mundwinkel war tabu.
Doch vielen war am Donnerstag, als China die neue Führung des Parteibüros bekanntgab, nicht zum Lachen zumute. Denn eines ist klar: Die konservativen Hardliner um den Altpräsidenden Jiang Zemin haben sich bei der Zusammensetzung durchgesetzt.
Vor allem zwei Vertreter geben Grund zur Sorge. Zhang Dejiang zählt zu den größten Betonköpfen innerhalb der Spitze der Kommunistischen Partei (KP). Er ist Absolvent der Kim-Il-Sung-Universität in Nordkorea und bekannter Lobbyist der übermächtigen Staatsbetriebe. Politische Reformen wie etwa Mitbestimmung von Arbeitnehmern, Gewaltenteilung und weniger Einfluss der KP auf Wirtschaft, Finanzen und Gesellschaft lehnt der 65-Jährige entschieden ab.
Nicht weniger reformfeindlich ist sein Kollege Liu Yunshan. Er ist Minister für Propaganda und Ideologie. Dieser Titel sagt schon alles. Der ehemalige Journalist der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua hat die Zensur perfektioniert. Auf ihn geht die Große Firewall im Internet zurück: Mit einem ausgeklügeltem Filtersystem haben seine Mitarbeitern es geschafft, politisch missliebige Webseiten in China zu blockieren. Zwar gibt es Lücken – wer das technische Equipment hat, der kann trotzdem kritischen Seiten aufrufen. Aber es bleibt dabei: Der Großteil der Bevölkerung in China hat keinen Zugang zu Facebook, Twitter und YouTube.
Der Reformer Wang Yang zog dagegen nicht in den elitären Kreis ein. Viele hatten auf Wang Yang gehofft, weil er als Parteichef in dem Dorf Wukang (Provinz Guangdong) erstmals freie Wahlen zugelassen hatte. Zuvor hatte die Bevölkerung wegen korrupter Beamter tagelang protestiert. Die Entscheidung von Wang war mutig – doch sie hat ihn wohl die Karriere im Politbüro gekostet, konservative Kräfte wussten ihn zu verhindern.
Die Erwartungen an Wang Yang und andere Reformer sind wohl zu hoch. Das zeigt auch Wen Jiabao. Der nun scheidende Premierminister hatte sich wiederholt für mehr innerparteiliche Demokratie ausgesprochen. Doch selbst als Premier konnte er sich nicht durchsetzen. Der Parteiapparat ist einfach zu starr, die Parteispitze zu machtbesessen und auf ihre Privilegien bedacht. Wer auf einen grundlegenden politischen Wandel in China hofft, der muss Geduld haben. Oder auf eine Revolution setzen.
Ich halte die politische Zukunft Chinas dennoch nicht für hoffnungslos. Das Land erlebt schließlich gerade den größten gesellschaftlichen Wandel seit Jahrzehnten. 300 Millionen Chinesen zählen sich inzwischen zur Mittelschicht, sie sind selbstbewusst, besser informiert und konsumfreudig. Auch das Bildungsniveau ist in kurzer Zeit enorm gestiegen. Und trotz Schikanen und Zensur sind die Menschen dank des Internets besser informiert und vernetzt als je zuvor. Auf solche Entwicklungen müssen gerade die Hardliner in der Parteiführung reagieren.
Schließlich gibt es auch eine neue Protestkultur in China. Sicher, Demonstrationen hat es auch früher in China gegeben. Aber inzwischen sind die Demonstranten besser organisiert. Ihr Widerstand ist sehr viel erfolgreicher. Allein in diesem Jahr ist es Bürgern gelungen, bereits drei umstrittene Industrieanlagen zu verhindern. Die Chinesen lassen sich Behördenwillkür und Korruption nicht länger gefallen.