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Chinas KP verteilt um

 

Gegen Ende seiner Amtszeit macht Chinas Premier Wen Jiabao einen Teil seiner Versprechen doch noch wahr. Der Staatsrat, das chinesische Regierungskabinett, will die große Kluft zwischen Arm und Reich verringern und hat am Mittwoch eine Reihe von Maßnahmen dazu beschlossen. Die bemerkenswerteste darunter ist die Anhebung des Mindestlohns um mindestens 40 Prozent des durchschnittlichen Lohns bis 2015.

Schon zu Beginn seiner Regierungszeit vor zehn Jahren hatte Wen Jiabao versprochen, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Einiges hat er auch erreicht: In absoluten Werten ist die Zahl der Armen während seiner Amtszeit deutlich zurück gegangen und die Mittelschicht ist gewaltig gewachsen. Doch ein Zehntel der insgesamt 1,3 Milliarden Chinesinnen und Chinesen lebt offiziellen Angaben zufolge immer noch in Armut. Sie verdienen pro Kopf weniger als 2.300 Yuan im Jahr, das entspricht etwa 270 Euro.

Den Armen gegenüber stehen inzwischen rund 1,4 Millionen Dollarmillionäre. Nur in den USA leben auch so viele Reiche. Der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit einer Gesellschaft misst, liegt offiziellen Angaben zufolge inzwischen bei 0,47. Bei einem Wert von 0 sind Einkommen und Vermögen gleichmäßig auf alle Staatsbürger verteilt. Bei 1 herrscht absolute Ungleichheit. Über 0,4 warnen Experten vor sozialen Unruhen.

Groß ist die Ungleichheit auch zwischen Stadt und Land. In den Städten lag das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen 2011 bei rund 22.000 Yuan, rund 2.605 Euro. Den Menschen auf dem Land stand im Schnitt ein Drittel davon zur Verfügung. Dieses Verhältnis ist für ein offiziell sich noch als kommunistisch bezeichnendes Land eigentlich verheerend.

Wen Jiabaos nun beschlossene Maßnahmen dürften die Kluft ein wenig verkleinern. Außer der Anhebung des Mindestlohns sehen sie die Einführung einer Grundsteuer auf Immobilien vor, und weitere Sonderabgaben auf Luxusgüter. Eine Erbschaftssteuer wird zumindest erörtert. Zudem will die chinesische Führung sehr viel mehr Geld in Bildung und öffentlichen Wohnungsbau stecken. Ziel der chinesischen Führung: Die Zahl der Armen in nur zwei Jahren – nämlich bis 2015 – um 80 Millionen zu verringern. Das ist ganz schön ehrgeizig – zumal die chinesische Führung ebenfalls versprochen hat, das durchschnittliche Einkommen bis 2020 zu verdoppeln.

Es ist aber nicht unmöglich, dieses Ziel zu erreichen. Chinas Regierung will auch die großen Staatsunternehmen künftig stärker zur Kasse bitten, und die sind in China sehr reich. Aus ihren Abgaben will die Regierung vor allem den Aufbau des dringend benötigten Kranken- und Rentenversicherungssystems finanzieren. In den vergangenen Jahren durften die meisten Staatsfirmen den Großteil ihrer Gewinne behalten. Sie kamen leicht an Kredite, zahlten dafür niedrigere Zinsen als private Investoren und Sparer, und konnten massiv expandieren. Ihre Manager, Firmenleiter und Parteisekretäre kamen bald zu beachtlichem Wohlstand. In Zukunft sollen ihre Gehälter begrenzt werden.

Das alles trägt nicht nur zu mehr sozialem Frieden bei und dürfte Chinas neuer Führung um Parteichef Xi Jinping den Start ins Regierungsgeschäft erleichtern. Eine bessere Einkommensverteilung macht auch ökonomisch Sinn. Sie kurbelt den heimischen Konsum an. Denn während arme Leute mit mehr Geld in der Tasche tatsächlich zu mehr Produkten des täglichen Bedarfs greifen und damit die Wirtschaft insgesamt in Schwung bringen, sparen die Reichen viel mehr. Zur Belebung der Realwirtschaft tragen sie meist nur wenig bei.