Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Der Werkbank der Welt gehen die Arbeitskräfte aus

 

Das chinesische Neujahrsfest stellt die Unternehmer in der südchinesischen Provinz Guangdong schon länger vor Probleme. Die Gegend um das Perlflussdelta gilt als Werkbank der Welt, mehrere hunderttausend Fabriken stehen hier, auch viele ausländische Konzerne lassen in der Region produzieren. Weil die geschätzt rund 40 Millionen Einwohner nicht ausreichen, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken, ist die Region abhängig von Millionen von Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern aus den chinesischen Nachbarprovinzen.

Das Problem: Je stärker aber sich das chinesische Binnenland wirtschaftlich entwickelt, desto mehr Wanderarbeiter beschließen nach dem Frühlingsfest nicht mehr nach Guangdong zurückzukehren. Der Werkbank der Welt gehen die Arbeitskräfte aus. In diesem Jahr hatte China Daily bereits vor Beginn des Frühlingsfestes gewarnt: Rund 1,2 Millionen Wanderarbeiter würden dauerhaft ihrem Arbeitsplatz in Guangdong den Rücken kehren und in ihrer Heimatregion bleiben. Die Zeitung beruft sich auf Zahlen des Guangdong Human Ressources and Social Security Departments, der zentralen Arbeitsbehörde der Provinz.

In Guangdong gibt es offiziellen Angaben zufolge rund 16 Millionen Wanderarbeiter. Zehn Millionen haben in den vergangenen zwei Wochen die Provinz für das Frühlingsfest verlassen. Rund 10 Prozent von ihnen haben angekündigt, nicht mehr zurückzukehren. Dabei hatte die Arbeitsbehörde bereits im Januar einen Mangel von rund 400.000 Arbeiterinnen und Arbeitern berechnet. Wenn kommende Woche das Arbeitsleben wieder offiziell beginnt, wird sich der Arbeitskräftemangel damit auf mindestens anderthalb Millionen summieren. Auch immer mehr ausländische Unternehmen klagen, dass sie nicht genug Mitarbeiter finden.

Arbeitsmarktexperten hatten die Entwicklung bereits vor Jahren für Südchina vorausgesagt. Die Zeiten von billig billig sind vorbei. Vor allem die Folgen der Ein-Kind-Politik machen sich bemerkbar. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht davon aus, dass irgendwann zwischen 2020 und 2025 ganz China unter dem Arbeitskräftemangel leiden wird. Hinzu kommt, dass in besonders prosperierenden Städten wie Guangzhou, Shenzhen und Shanghai die Lebenshaltungskosten zuletzt kräftig gestiegen sind. Für viele Wanderarbeiter rentiert sich die Arbeit in diesen Städten nicht mehr.

Um ihre Mitarbeiter zu halten, haben viele Unternehmen in Guangdong die Löhne bereits kräftig angehoben. Auch die Provinzregierung hat reagiert. Das Guangdonger Arbeitsministerium erhöhte 2012 den Mindestlohn für die Provinzhauptstadt Guangzhou um 10 Prozent auf rund 1.300 Yuan im Monat, was rund 160 Euro entspricht. Der Durchschnittslohn liegt inzwischen bei 4.500 Yuan (540 Euro). China Daily zitiert einen Unternehmer, der von einem weiteren Anstieg um durchschnittlich 10 Prozent nach den Feiertagen ausgeht, damit die Firmen ihren derzeitigen Stand an Arbeitskräften halten können. Viele Unternehmer wollen ihre Produktionsabläufe stärker automatisieren.

Doch nicht nur die Provinz Guangdong hat mit Arbeitskräftemangel zu tun, auch andere Provinzen wissen um das langfristige Problem. Sie werben ebenfalls kräftig mit mehr Geld und besseren Arbeitsbedingungen. Der Wettlauf um Arbeitskräfte in China ist in vollem Gange.