Seit Monaten spekulieren große Investmentbanken wie Goldman Sachs auf fallende Goldpreise. Tatsächlich ist die Feinunze Gold im April binnen weniger Tage um mehr als 20 Prozent gefallen, allein am 15. April um 9,1 Prozent. Es war der größte Einbruch an einem Tag seit 1983.
Doch die Investoren haben nicht die Rechnung mit den Chinesinnen gesetzteren Alters gemacht, die in der Volksrepublik als „Da Ma“ bezeichnet werden. Zu Deutsch: Tantchen. Einige Medien nennen sie auch „Hausfrauen“. In China sind es vor allem die Frauen, die sich in den Familien um die Finanzen kümmern. Auch versuchen sie, für die Söhne und Töchter Geld anzulegen.
Wie stark die Kaufkraft der Frauen mittlerweile ist, zeigte sich zuletzt in der Feiertagswoche um den 1. Mai herum. In dieser Zeit wird in China generell viel konsumiert und investiert. In diesem Jahr aber stürzten sich die Käufer auf Gold – zu günstig schien der Moment einzusteigen. In vielen Städten kam es vor und in Juwelieren zu tumultartigen Szenen. Die älteren Damen kauften Goldschmuck, Goldfiguren und Goldbarren.
Analysten schätzen, dass die Chinesinnen innerhalb einer Woche mehr als 300 Tonnen Gold aufgekauft haben – fast zehn Prozent der gesamten jährlichen Goldproduktion. Das hatte Auswirkungen auf den Weltmarkt: Der Kaufrausch der Chinesinnen sorgte dafür, dass der Goldpreis wieder auf mehr als 1.400 Dollar pro Feinunze angestiegen ist. Seitdem hat sich der Goldpreis weiter erholt.
Gold wird in China höher geschätzt als heutzutage etwa in den USA oder den Ländern Europas. Es dient nicht nur als Wertanlage, sondern auch als Hochzeitsgeschenk für die Tochter oder den Neffen. Anders als in Europa ist die Angst der Chinesen vor Inflation außerdem zumindest ein Stück weit mehr berechtigt. Nach Angaben von Chinas Statistikamt ist der Verbraucherpreis-Index im April um 2,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen.
Das ist eigentlich kein besorgniserregend hoher Wert. Doch die Investitionsmöglichkeiten für den chinesischen Sparer sind angesichts mangelnder Finanzprodukte beschränkt. Vor allem aber die Immobilienpreise in einer Reihe von chinesischen Städten sind in den vergangenen Monaten noch mal deutlich in die Höhe geschossen. Betongold ist auch für viele Mittelstandschinesen nicht mehr erschwinglich. Goldmünzen hingegen schon.
Das Bemerkenswerte an diesem Aufkauf des weltweiten Goldbestandes durch „chinesische Tanten“: Chinas Mittelstand ist inzwischen so vermögend und kaufkräftig, dass er imstande ist, die Weltmärkte maßgeblich zu beeinflussen. Die Wall Street-Banker müssen umdenken.