Von Donnerstag bis heute ist der Goldpreis um rund zehn Prozent (fast 150 Dollar) gesunken. Am Vormittag lag der Preis in London nur noch bei 1.416 Dollar pro Feinunze. Seit seinem Höchststand am 5. September 2011 hat er jetzt rund ein Viertel eingebüßt. Eine Blase platzt!
In den zehn Jahren bis zum Herbst 2011 hatte sich der Goldpreis – in Dollar gerechnet – im Durchschnitt um jährlich 21,5 Prozent erhöht. Das nominale Sozialprodukt der Welt war im gleichen Zeitraum jedoch nur um 8,1 Prozent pro Jahr gestiegen, ebenfalls in Dollar. Da sich Gold nicht verzinst, ist das nominale Sozialprodukt eigentlich nicht der richtige Vergleichsmaßstab – es geht ja vor allem um den Schutz vor Inflation. Und die lag in diesem Zeitraum im Durchschnitt lediglich bei 3,9 Prozent. Mit anderen Worten: Die Blase war größer als fast alles, was man bisher von Immobilien und Aktien kannte.
Nimmt man an, dass der Goldpreis in den zehn Jahren vor dem Beginn seiner Hausse in etwa im Gleichgewicht war – der Durchschnittspreis betrug damals 334 Dollar – und er normalerweise nur so stark steigen sollte, dass er die globale Geldentwertung ausgleicht, müsste er heute bei 530 Dollar liegen. Nun ist er zwar schon um 25 Prozent eingebrochen. Bis zum „Normalniveau“ sind es aber noch einmal 63 Prozent. Da Märkte im Korrekturmodus gerne übertreiben, müssen die 530 Dollar nicht die Untergrenze sein. In der Endphase des Bretton-Woods-Systems kostete Gold nur 42 Dollar je Unze.
Die Abwärtsspirale könnte sich zudem schnell drehen, weil es mit der Weltkonjunktur vielleicht doch nicht so gut läuft wie gedacht. Die Märkte zeigen sich augenblicklich vor allem beeindruckt davon, dass Chinas Wachstumsrate des realen Bruttosozialprodukts im ersten Quartal im Vorjahresvergleich überraschend auf 7,7 Prozent gefallen ist. Im Außenhandel schlägt sich außerdem die konjunkturelle Nachfrageschwäche der Industrieländer nieder. Auch in China gibt es so etwas wie eine Kreditblase. Wenn sie eines Tages platzt, könnte es dort sogar zu Deflation kommen. Bereits heute liegen die Verbraucherpreise, überraschend für ein rasch expandierendes Schwellenland, nur um 2,1 Prozent über ihrem Vorjahreswert. Die industriellen Erzeugerpreise schrumpfen sogar um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Insgesamt sind die globalen Inflationsrisiken äußerst gering. Und dass, obwohl Fed, EZB, Bank of Japan und Bank of England eine extrem expansive Geldpolitik betreiben, sowohl was ihre Zinspolitik, als auch was die Explosion ihrer Bilanzsummen angeht. Sie sitzen allesamt in den berühmten Liquiditätsfallen, wo es mit noch mehr Zentralbankgeld nicht mehr getan ist. Die Rettung kann in einem solchen Fall allein von einer expansiveren Fiskalpolitik kommen – aber dieser Ausweg ist angesichts der hohen Staatsschulden bekanntlich versperrt. Genauer: Die Finanzminister glauben, dass die Kapitalmärkte sie zwingen, ihre Haushalte zu sanieren. Überall da, wo Immobilienblasen geplatzt sind, versuchen zudem Haushalte und Banken, ihre Schulden durch sparsames Wirtschaften zu verringern. Das bremst die Konjunktur.
Da die Lücke zwischen dem, was produziert wird und dem, was bei einer normalen Auslastung des Arbeitskräftepotenzials und der Kapazitäten produziert werden könnte, global gesehen sehr groß ist – und im Übrigen weiter wächst – fällt es überall sehr schwer, Löhne und Preise zu erhöhen. Die Inflation ist daher kein Problem mehr. In Japan wurde die Notenbank sogar damit beauftragt, endlich wieder für Inflation zu sorgen. Das Land sitzt schon seit 15 Jahren in der Liquiditätsfalle und leidet unter einem fallenden Preisniveau. Den übrigen großen Volkswirtschaften droht möglicherweise ein ähnliches Schicksal.
Es ist nicht zu erkennen, wie der Fall des Goldpreises aufgehalten werden kann. Der Euro müsste schon auseinanderbrechen oder es müsste zu einem Krieg im Nahen Osten kommen. Beides ist zurzeit nicht wahrscheinlich.