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Niedrigzinsen – Ursachen und Wirkungen

 

Logo: Wirtschaftsdienst - Zeitschrift für WirtschaftspolitikExklusiv aus dem Wirtschaftsdienst: Die Zinsen sind niedrig wie lange nicht und insbesondere hierzulande beklagen sich Sparer und Banken darüber. Dabei gerät immer wieder die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik in die Kritik: Sie drücke das Zinsniveau „künstlich“ nach unten und begünstige so neben hochverschuldete Staaten auch Unternehmen, die bei steigenden Zinsen nicht lebensfähig wären. Letzteres, auch Zombifizierung genannt, beeinträchtige wiederum die Produktivität der Wirtschaft und führe zu einem schwachen Wirtschaftswachstum. Auch würde die EZB mit ihren expansiven Maßnahmen für Blasen auf den Immobilienmärkten und an den Börsen sorgen. Andere machen den Stabilitätspakt der Währungsunion und insbesondere die Sparpolitik der deutschen Regierung, das Festhalten an der „schwarzen Null“, für die Niedrigzinsen verantwortlich. Empirisch zeigt sich allerdings, dass das Zinsniveau bereits seit mehreren Jahrzehnten absinkt und es sich dabei um ein globales Phänomen handelt. Es könnten also auch grundlegendere Entwicklungen wie der demografischen Wandel, die Verschiebung der Einkommensverteilung hin zu Beziehern hoher Einkommen und Veränderungen im privaten Vermögensaufbau und Kapitalbedarf eine Rolle spielen. Im Zeitgespräch der Januar-Ausgabe des Wirtschaftsdienst werden in fünf Beiträgen die Ursachen und Wirkungen der Niedrigzinsen diskutiert:

Clemens Fuest und Timo Wollmershäuser vom ifo Institut analysieren in ihrem Beitrag („Niedrigzinsen: Ursachen und wirtschaftspolitische Implikationen“) den seit Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zu beobachtenden Abwärtstrend der realen und nominalen Zinsen. Erklärt werden könne er durch Veränderungen beim Angebot von Kapital und bei der Kapitalnachfrage. Die Geldpolitik als Hauptgrund zu benennen sei wenig überzeugend, sie würde aber aktuell die Entwicklung hin zu niedrigen Zinsen erheblich verstärken. Für die Zombifizierungsthese fehlten bislang überzeugende empirische Belege.

Auch Marcel Fratzscher und Alexander Kriwoluzky vom DIW identifizieren in ihrem Beitrag („Über die Ursachen und das mögliche Ende der niedrigen Zinsen in Deutschland“) im Wesentlichen strukturelle Faktoren als Ursache für die niedrigen Zinsen. Zwar habe die EZB mit ihren geldpolitischen Maßnahmen dazu beigetragen die nominalen Zinsen zu senken, dies sei aber als erfolgreiche Umsetzung der Lehren aus der Weltwirtschaftskrise der Jahre 1929 bis 1933 zu sehen. Um wieder zu höheren Zinsen zu kommen, bedürfe es einer Wirtschaftspolitik, die an den Faktoren ansetzt, die auf den sogenannten „natürlichen“ Realzins wirken.

Gerhard Illing von der LMU München diskutiert in seinem Beitrag („Die Präzisierung des Inflationsziels – ein Ausweg aus der Niedrigzinspolitik?“) die Frage, welche Möglichkeiten der Geldpolitik in einem Niedrigzinsumfeld bleiben, das seine Ursache in einem stetigen Rückgang des „natürlichen“ Realzinses hat. Da hier ein zu rascher Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik die Gefahr verschärfen würde, in einem Szenario langfristiger Stagnation zu verharren, müsse die Zentralbank versuchen, die Inflationserwartungen zu erhöhen, um sich einen größeren Spielraum für eine aktive Stabilisierungspolitik zu schaffen.

Ulrike Neyer von der Universität Düsseldorf stellt in ihrem Beitrag („Niedrigzinsen – die Rolle der Geldpolitik“) die These in Frage, dass die Geldpolitik keinen Einfluss auf die langfristige Entwicklung des Realzinses habe. Wird die Reaktion von Zentralbanken im Verlaufe von Finanzzyklen berücksichtigt, sei die Geldpolitik auch in der langen Frist nicht neutral. Um diesen Zusammenhang zu berücksichtigen, müsse das Mandat der EZB im Hinblick auf die Finanzstabilität erweitert und das Inflationsziel überarbeitet werden.

Carl Christian von Weizsäcker von der Universität Köln analysiert in seinem Beitrag („Ende der Kapitalknappheit und neuer Protektionismus“) die zunehmende Diskrepanz zwischen einem steigenden relativen Vermögenswunsch und einem konstant bleibenden relativen Kapitalbedarf, die dem langfristige Abwärtstrend des realen Zinses zugrunde liege. Der Staatsverschuldung falle dabei die Rolle zu, die Lücke zu schließen, so dass es nicht zu massiv negativen Realzinsen komme.

Lesen Sie das gesamte Zeitgespräch in der Januar-Ausgabe des Wirtschaftsdienst zum Thema „Niedrigzinsen – Ursachen und Wirkungen“ im Open Access.

(Hinweis: Die Artikel des Wirtschaftsdienst sind seit Januar dieses Jahres im Open Access frei zugänglich.)