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China – ein Hort der Stabilität?

 

Die Aktienkurse fallen und fallen. Auf der ganzen Welt sind in den vergangenen Tagen die Kurse eingebrochen. Schwellenländer wie Indien, Indonesien, Brasilien und die Türkei trifft es besonders hart. Neben einer schlecht laufenden Konjunktur macht ihnen zusätzlich ein starker Kapitalabfluss und damit ein Verfall ihrer Währungen zu schaffen. Allein in den vergangenen Wochen haben Anleger der Bank of America zufolge weltweit 6,4 Milliarden Dollar aus Schwellenländer abgezogen, ihre Währungen haben binnen weniger Tage um mehr als 20 Prozent an Wert verloren.

Nur ein Schwellenland scheint sich mal wieder als Hort der Stabilität zu erweisen: China. Der chinesische Yuan bleibt konstant zum Euro und Dollar. Und auch der Kapitalabfluss hält sich in Grenzen. Dabei sehen auch Chinas Wirtschaftsdaten nicht rosig aus.

Hauptauslöser der derzeitigen Kapitalflucht aus den Schwellenländern ist die zunehmende Straffung der US-Geldpolitik. Seitdem die US-Zentralbank den Aufkauf amerikanischer Staatsanleihen zurück fährt und auch die Konjunktur in den USA langsam anzieht, ist die größte Volkswirtschaft der Welt für Investoren aus aller Welt wieder attraktiver. Das allerdings geht zu Lasten der Schwellenländer, die in den Jahren zuvor geboomt und sehr viel Kapital angezogen haben. Die Volksrepublik – das größte Schwellenland – müsste im Prinzip von dieser Entwicklung ebenso betroffen sein.

Was die Konjunkturdaten betrifft, ist das auch so: Die chinesische Wirtschaft ist 2012 und 2013 nur noch um 7,7 Prozent gewachsen, so wenig wie seit 1999 zum Höhepunkt der Asienkrise nicht. Und Besserung ist nicht in Sicht: Für die kommenden Monate deuten Umfragen sowohl unter Unternehmern im Dienstleistungssektor als auch in der Industrie auf weiterhin schwache Geschäfte hin. Für 2014 wird von einigen Ökonomen sogar eine Abschwächung des Wachstums auf unter sieben Prozent befürchtet.

Damit bleibt China zwar ein Wachstumsmarkt, verspricht aber aus Sicht von Anlegern bei weitem nicht mehr die lukrativen Erlöse der vergangenen Jahre, als China und die anderen Schwellenländern die gesamte Weltwirtschaft in Schwung gehalten haben. Kapitalgeber aus aller Welt müssten eigentlich aus China genauso flüchten und für Turbulenzen auf den Finanzmärkten sorgen wie sie in den vergangenen Wochen ihr Geld aus Argentinien, Südafrika und der Türkei abgezogen haben.

Doch das passiert nicht. Grund für diese relative Stabilität in der Volksrepublik: Die chinesische Zentralbank, die der Staatsführung in Peking unmittelbar unterstellt ist, hat den Yuan eng an den Dollar gekoppelt und lässt Wechselkursschwankungen von maximal einem Prozent am Tag zu. Gewinnt der Dollar im Vergleich zu den Währungen der Schwellenländer an Wert, steigt entsprechend auch der Yuan. Vor allem die USA kritisieren diese Politik und werfen China vor, auf diese Weise den Yuan unterzubewerten. Das verbillige Chinas Exportgüter und verzerre den Wettbewerb.

Peking hält zudem grundsätzlich weiter an der Kapitalverkehrskontrolle fest. Das heißt: Zumindest theoretisch darf der Yuan weder in großen Mengen ein- noch ausgeführt werden. Auch wenn vor allem für viele Unternehmer und Wohlhabende die Realität eine andere ist und sie eine Vielzahl von Schlupflöchern gefunden haben, um doch große Mengen an Kapital ein- und ausfließen zu lassen – zu so massiven Kapitalabflüssen wie derzeit in der Türkei oder Argentinien kommt es in China nicht.

Im Gegenteil: Weil Anleger aus aller Welt wissen, dass die chinesische Führung umso mehr ihre Währung am Dollar klammert, je turbulenter es in den anderen Schwellenländern zugeht, flüchten sie neben den USA auch nach China. Die chinesische Zentralbank hat derzeit eher das Problem, dass zu viel Geld – sie spricht von „Hot Money“ – nach China strömt als dass es abfließt – trotz der verhältnismäßig schlechten Konjunkturdaten.

So sehr China auf diese Weise von den Turbulenzen in den anderen Schwellenländern verschont bleibt – das Land leidet auf andere Weise. Eigentlich will die chinesische Führung seit Jahren ihr Finanzsystem reformieren und sich damit einher auch zunehmend von der restriktiven Kapitalkontrolle lösen. Einiges ist auch schon geschehen. So hat der Yuan zum Jahresende 2013 innerhalb von einem Jahr um 2,5 Prozent zum Dollar aufgewertet – so viel wie noch nie in einem solchen Zeitraum.

Aber das reicht noch nicht. Nach wie vor ist Chinas Finanzsektor sehr unterentwickelt. Es wird dominiert von einigen wenigen Akteuren, die chinesischen Anlegern selten lukrative Angebote macht und stattdessen viel Geld in wenig effiziente Projekte dubioser Staatsunternehmen und Lokalregierungen steckt. Nicht zuletzt deshalb investieren viele Privatanleger ihr Geld einseitig in Wohnungen und Häuser, was jedoch den Immobiliensektor gefährlich aufbläht. Ein stärker liberalisierter Kapitalmarkt würde die Konkurrenz unter den Banken in China erhöhen.

Mit den jüngsten Turbulenzen in den Schwellenländern fürchtet sich die chinesische Führung nun aber vor weiteren notwendigen Schritten. Chinas Reform seines Finanzsektors verzögert sich damit erneut bis auf weiteres.