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China erobert den Schweinefleisch-Weltmarkt

 

Vor noch nicht allzu langer Zeit war Fleisch Mangelware in China. Bis Mitte der achtziger Jahre erhielt jeder chinesische Stadtbewohner spezielle Lebensmittelmarken, die er beim Fleischkauf vorlegen musste. Jedem standen nur wenige Hundert Gramm pro Monat zur Verfügung, den Menschen auf dem Land noch weniger. Das Schweinefleisch wurde daher meistens in kleine Streifen geschnitten, sparsam etwa unter gedünsteten Kohl gemischt und dann mit sehr viel Reis aufgetischt.

Von dieser Mangelwirtschaft ist heute nicht mehr viel übrig.  Eine Mahlzeit ohne Schweinefleisch ist kaum mehr denkbar. Ganze Gerichte werden ausschließlich mit Fleisch und diversen Innereien vom Schwein serviert. Das früher bei chinesischen Gerichten übliche Gemüse als Beilage fällt inzwischen häufig weg. Der Reis zur Sättigung ebenso. China ist in den vergangenen Jahren nicht nur zum weltgrößten Fleischkonsumenten aufgestiegen, sondern auch zum Fleischproduzenten Nummer eins. Nun will der größte chinesische Fleischkonzern den Weltmarkt erobern.

Der chinesische Fleischhersteller WH Group plant den weltweit zweitgrößten Börsengang in der Nahrungsmittelindustrie. Umgerechnet bis zu 5,3 Milliarden Dollar sollen allein mit der Erstemission erlöst werden.

Bei der WH Group handelt es sich um Chinas größten Fleischproduzenten. Erst im Januar hat sich das Unternehmen umbenannt. Davor war es in der Volksrepublik unter dem Namen „Shuanghui“ (Shineway) bekannt, ein ehemaliges Staatsunternehmen aus der innerchinesischen Provinz Henan. Das Unternehmen wurde bereits zu Beginn der Wirtschaftsreformen Mitte der achtziger Jahre teilprivatisiert und stieg schnell zu einem sehr profitablen Großkonzern auf. Heute werden in den Fabrikhallen der WH Group mehr als 15 Millionen Schweine geschlachtet und 2,7 Millionen Tonnen Fleisch pro Jahr produziert.

Zwar hat es wie bei vielen chinesischen Fleischproduzenten auch bei Shuanghui einen Skandal um verunreinigtes Fleisch gegeben. Wirklich geschadet hat es dem Konzern aber nicht: der Umsatz lag 2012 bei über sechs Milliarden Dollar. 60.000 Mitarbeiter zählt das Unternehmen in China, Firmenchef Wan Long ist im ganzen Land bekannt als „Chinas Schlächter Nummer eins“.

Ein so rapider Aufstieg eines Fleischunternehmens ist in Europa kaum mehr vorstellbar. In den meisten europäischen Ländern stagniert der Fleischkonsum oder geht sogar zurück. Nicht aber in China. Allein 50 Prozent des weltweiten Nachfragezuwachses geht auf den steigenden Fleischkonsum der Chinesen zurück. Dabei produziert China schon jetzt mehr als 53 Millionen Tonnen Schweinefleisch – so viel wie niemand sonst auf der Welt.

Trotzdem kann das Land die heimische Nachfrage nicht decken. Für europäische Länder war die Volksrepublik 2012 bereits der zweitwichtigste Absatzmarkt für Schweinefleisch. Innerhalb von drei Jahren haben sich Europas Exporte verdoppelt. Doch auch das wird nicht reichen. Erst im September vergangenen Jahres hat China daher der Ukraine mehr als 100.000 Hektar Ackerland abgekauft und will die Fläche auf mehrere Millionen Hektar ausweiten. Die Krim-Krise kommt den Chinesen jedoch dazwischen. Auch das ist ein Grund, warum die Chinesen alles andere als erfreut sind, dass Russland die Krim annektiert hat.

Noch vor der Konzernumbenennung hatte die WH-Group den US-Konzern Smithfield für rund sieben Milliarden Dollar übernommen, den Erfinder der industriellen Fleischfertigung. Smithfield bedient 25 Prozent des US-Schweinefleischmarktes und ist in Deutschland mit Marken wie Aoste oder Fiorucci vertreten.

Die Buchstaben W und H im neuen Namen des chinesischen Konzerns stehen für Wanzhou Holding. Sie sollen die Internationalisierung unterstreichen. Wanzhou heißt übersetzt: Lebenslang auf allen Kontinenten.