Lesezeichen
‹ Alle Einträge

China im Börsenrausch

 

Mit chinesischen Aktien hatten internationale Anleger in den vergangenen Jahren keine große Freude. Die Bilanzen waren oft intransparent und damit wenig verlässlich, die Börsenaufsicht galt als korrupt. Und immer wieder mischte aus heiterem Himmel die chinesische Führung mit und sorgte mit plötzlichen Verordnungen, die zum Teil rückwirkend in Kraft traten, für abrupte Kursentwicklungen. Die extremen Aufs und Abs ließen die beiden Börsen in Shanghai und Shenzhen mehr nach einem Casino aussehen als nach einem seriösen Handelsplatz.

Doch das scheint sich nun geändert zu haben. Der Shanghai Composite Index, der nach seinem tiefen Sturz im Jahr 2008 von 5.500 auf rund 1.820 Punkte jahrelang vor sich hin gedümpelt hatte, erlebt derzeit ein Comeback. Seit Mitte des Jahres hat er um mehr als 40 Prozent auf rund 2.800 Punkte zugelegt.

Der Wert der gekauften und verkauften Aktien lag am vergangenen Freitag bei 700 Milliarden Yuan (rund 100 Milliarden Euro). Das war einer der höchsten Tagesumsätze in der Börsengeschichte. Am Mittwoch wechselten Aktien im Wert von einer halben Billion Yuan die Besitzer. Bei den Händlern handelt es sich aber nicht mehr nur um private Zocker aus dem Inland, sondern um Profianleger aus aller Welt.

Die derzeitigen Kurssprünge sind in erster Linie auf die Zinssenkung der chinesischen Zentralbank vor knapp zwei Wochen zurückzuführen. Es war die erste seit mehr als zwei Jahren. Doch das allein würde internationale Anleger nicht in großer Zahl nach China locken. Tatsächlich hat sich in der Zwischenzeit auch im chinesischen Börsenrecht jede Menge getan.

So geht die Börsenaufsicht inzwischen strenger vor und hat zahlreiche unseriöse Unternehmen vom Index genommen. Auch in China müssen Firmen vor ihrem Börsengang ein stabiles Geschäft nachweisen, das langfristig angelegt ist.

Seit Mitte November können internationale Investoren außerdem Geld in Unternehmen auf dem chinesischen Festland über den offenen Aktienmarkt in Hongkong anlegen – Fachleute sprechen vom sogenannten „Through Train“ (direkte Verbindung). Bislang durften nur einige wenige Ausländer Anteile an chinesischen Unternehmen erwerben, die von der chinesischen Regierung explizit ausgewählt wurden.

Internationales Vertrauen kehrt zurück

Die Börsen in Shanghai und Hongkong haben nun eine Kooperation begonnen, über die internationale Anleger die jeweils an der anderen Börse gelisteten Papiere handeln können. Das Gesamtvolumen ist zwar reglementiert und liegt bei täglich maximal 1,7 Milliarden Euro. Aber immerhin existiert nun ein Zugang zum bislang streng abgeschotteten chinesischen Kapitalmarkt.

Ein weiterer Punkt: Chinesische Papiere sind sehr viel interessanter geworden. Der weltgrößte Börsengang von Chinas Internet-Giganten Alibaba im September in New York hat das Augenmerk der Welt auf Chinas hochdynamische IT-Industrie gelenkt. Baidu, Tencent, Lenovo und Huawei sind hochprofitable Unternehmen, die allesamt auf dem Sprung sind, die Weltmärkte zu erobern.

Was aber vor allem den Ausschlag geben dürfte: Chinas Führung hat wie versprochen den schwarzen Kapitalmarkt eingedämmt, der in den vergangenen Jahren massiv gewachsen war. Außerdem verspricht der ebenfalls zuletzt heiß gelaufene Immobilienmarkt nicht mehr viel Rendite. Beides hat zur Folge, dass viele chinesische Anleger derzeit nicht wissen, wohin mit ihrem Geld. Ein streng regulierter Aktienmarkt, dem zunehmend auch ausländische Investoren vertrauen, kommt da für chinesische Anleger wie gerufen.