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China droht noch lange keine Deflation

 

Nun also auch China. Ausgerechnet das Wirtschaftswunderland mit den höchsten Wachstumsraten der vergangenen zwei Jahrzehnte soll vor einer Deflation stehen – einer Spirale aus fallenden Preisen, ausbleibenden Investitionen und sinkenden Löhnen. Das zumindest berichten zahlreiche Medien unter Berufung auf die Statistikbehörde von Peking. Danach sind die Verbraucherpreise im Januar lediglich um 0,8 Prozent gestiegen.

Der niedrige Wert hat viele Analysten überrascht: Sie hatten mit einer Inflation von mindestens 1,0 Prozent gerechnet. Im Dezember waren die Verbraucherpreise immerhin noch um 1,5 Prozent gestiegen. Eigentlich strebt die chinesische Führung eine Teuerungsrate von rund drei Prozent an. Auch wenn die Inflation in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt damit auf den niedrigsten Stand seit fünf Jahren gefallen ist – von Dauer dürfte dieser Zustand aber nicht sein.

Keine Frage: Chinas Wirtschaft steht derzeit vor enormen Problemen. Viele Fabriken sind nicht ausgelastet und bleiben auf zu viel produzierten Waren sitzen. Dennoch ist die Sorge vor einer Deflation übertrieben.

Zwar fallen Immobilienpreise, was dazu führt, dass sehr viel weniger gebaut wird. Auch hat sich das Wachstum verlangsamt: Im vergangenen Jahr betrug das Plus nur noch 7,4 Prozent, so wenig wie seit 24 Jahren nicht. Für 2015 geht der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar nur noch von einem Wachstum von 6,8 Prozent in China aus. Für ein Schwellenland, in dem jedes Jahr weiter zwischen 10 und 20 Millionen Menschen vom Land in die Städte ziehen und mit Arbeit versorgt werden müssen, ist das wenig. Der bisherigen globalen Wachstumslokomotive geht sichtlich der Dampf aus. 

Doch das bedeutet nicht, dass jetzt die Deflation droht, vor der sich Wirtschaftspolitiker auf der ganzen Welt fürchten. Da ist zunächst einmal das chinesische Neujahrsfest: Es wird in China begangen, als wenn in Deutschland Weihnachten, Neujahr, Ostern und die Sommerferien zusammenfielen. Millionen von Menschen reisen in ihre Heimatdörfer, bei den meisten Familien beginnen mehrtägige Essorgien. Verschenkt werden allerdings keine Gaben, sondern meistens Geld, das in kleinen roten Umschlägen überreicht wird. In den Wochen vor dem Fest halten die meisten Verbraucher ihr Geld noch zurück und sparen für die anstehenden Ausgaben. Die Preise sind dann meist noch niedrig.

Wenn das Neujahrsfest näher rückt, wird aber eifrig gekauft. Dann steigen die Preise vor allem für Lebensmittel. Schweinefleisch ist in diesen Tagen auch schon wieder sehr viel teurer als noch vor zwei Wochen. Spätestens wenn die Umschläge erst einmal verteilt sind, wird auch konsumiert. Die Preise dürften dann wieder kräftiger steigen.

In diesem Jahr fällt das Fest nicht wie im vergangenen Jahr auf den Januar, sondern beginnt mit dem 19. Februar relativ spät. Das erklärt den statistisch geringen Anstieg der Verbraucherpreise des diesjährigen Januars im Vergleich zum Vorjahresmonat. Im Februar dürfte die Inflationsrate schon ganz anders aussehen.

Der zweite Grund, warum China zumindest in naher Zukunft keine Deflation droht: Anders als in den schrumpfenden Volkswirtschaften in der Eurozone steigen in China die Löhne auch weiterhin kräftig. 2014 lagen die Steigerungen bei durchschnittlich rund acht Prozent, in diesem Jahr wird mit ähnlich hohen Werten gerechnet. Das ist teils auf staatliche Maßnahmen wie kräftige Erhöhungen des Mindestlohns zurückzuführen. Aber nicht nur. Trotz Überkapazitäten in den Fabriken herrscht in einigen Branchen seit einiger Zeit Arbeitskräftemangel. Die Ein-Kind-Politik zeigt ihre Wirkung. Aufgrund des demografischen Übergangs geht die Zahl der Arbeitskräfte zurück. Die Nachfrage ist groß, entsprechend können die Fachkräfte höhere Löhne fordern.

Analysten gehen davon, dass Chinas Zentralbank dennoch einschreiten und spätestens im April ihren Leitzins senken wird. Zuletzt hatte die Notenbank das im November getan, um die Kreditvergabe der Banken anzuheizen und die erlahmende Konjunktur auf Trab zu bringen.

Deflation droht aber erst dann, wenn diese Instrumente weitgehend ausgespielt sind – wie derzeit in Europa oder Japan. Dort sind Kredite inzwischen fast zum Nulltarif zu haben. Chinas Leitzinssatz hingegen liegt derzeit noch immer bei 5,6 Prozent. Peking hat also noch sehr viel Spielraum.