Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Weniger Wachstum fällt China extrem schwer

 

Konjunkturspritzen für Chinas Wirtschaft? Offiziell versichert der chinesische Premierminister Li Keqiang immer wieder, dass es keine geben werde. Dabei ist Chinas Wirtschaft im ersten Quartal mit sieben Prozent so langsam gewachsen wie seit 2008 nicht mehr. Doch der Premier betont, dass das ganz in seinem Sinn sei: Die Zeiten mit zweistelligen Wachstumsraten gehörten der Vergangenheit an.

Nach seinem Willen soll China nicht mehr länger die Werkbank der Welt sein. Zu stark belaste die Umweltverschmutzung das Land. Dafür nehme er geringere Wachstumsraten in Kauf. Er spricht von der „neuen Normalität“.

Die Realität ist aber eine völlig andere.

Am Wochenende hat die chinesische Zentralbank den Mindestreservesatz von 19,5 auf 18,5 Prozent gesenkt. Chinesische Geschäftsbanken müssen nun weniger Reserven bilden und haben damit mehr Möglichkeiten, Kredite zu vergeben. Es ist bereits die zweite Senkung des Satzes innerhalb von nur zwei Monaten. Seit der weltweiten Finanzkrise hat die Notenbank den Satz nicht mehr so stark gesenkt. Auch den Leitzins hat sie seit November schon zwei Mal gesenkt. Nach Analystenschätzungen pumpt sie so rund eine Billion Yuan zusätzlich in die Wirtschaft, also rund 150 Milliarden Euro.

Unrentable Prestigeprojekte

Dabei hat China in den vergangenen Jahren schlechte Erfahrung mit einer allzu lockeren Geldpolitik gemacht. Die massiven Finanzspritzen 2009 bis 2012 führten zwar zu einem kurzzeitigen Boom der chinesischen Wirtschaft. Viele Lokal- und Provinzregierungen nutzten die großzügige Geldpolitik aber auch, um gigantische Messehallen, Opernhäuser und andere prestigeträchtige Gebäude zu errichten, die sich als unrentabel erweisen. Die Verschuldung Chinas steigt und steigt. Und viele Vermögende haben in Wohnungen und Häuser investiert – und die Immobilienpreise ungesund in die Höhe getrieben. Jetzt normalisieren sich die Preise. Und die Bauwirtschaft leidet.

Vor allem aber macht der Aktienmarkt Sorgen. Investoren stecken das zusätzliche Geld nicht in innovative Start-ups, sondern blähen nur den Aktienmarkt künstlich auf – eine Entwicklung, die sich auch in Deutschland beobachten lässt. Obwohl Chinas Konjunktur schwächelt, boomt die Börse. Der Shanghai Composite, der wichtigste Index auf dem Festland, verzeichnet seit Jahresbeginn ein Plus von 33 Prozent. In den vergangenen zwölf Monaten hat sich sein Wert sogar mehr als verdoppelt.

Chinesen ziehen Kapital ins Ausland ab

Obwohl China den Kapitalverkehr ins Ausland nach wie vor streng reguliert, fließt derzeit viel Kapital ins Ausland ab. China hält mit knapp 3,8 Billionen US-Dollar zwar immer noch mit großem Abstand die größten Devisenreserven der Welt. Aber erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt schrumpft der Bestand; allein im ersten Quartal um rund 113 Milliarden US-Dollar. Offenbar trauen viele vermögende Chinesen ihrer heimischen Wirtschaft nicht mehr. Sie investieren ihr Geld lieber im Ausland. Das dämpft wiederum die Geldversorgung im Inland.

Der Kapitalabfluss wiederum setzt den Yuan unter Druck. Trotz Euro-Abwertung – innerhalb von neun Monaten um fast ein Drittel – hält sich der Yuan bislang verhältnismäßig stabil. Das allerdings hat seinen Preis. Chinas Export ist im März eingebrochen. Im Vergleich zum Vorjahresmonat gingen die Ausfuhren um 15 Prozent zurück. Zu einem großen Teil ist das der Euro-Abwertung geschuldet, weil für Europäer chinesische Produkte zu teuer geworden sind.

Premier Li versichert zwar, dass er eine Abwertung der Währung zur Exportstütze ablehnt. Das würde nur zu einem Währungskrieg führen. Die USA beobachten aber das Gegenteil: Sie haben seit Jahresbeginn eine Abwertung des Yuan zum Dollar um 2,5 Prozent festgestellt und drohen Peking mit Konsequenzen, falls Chinas Zentralbank weitere Schritte in diese Richtung in Erwägung ziehen sollte. Die „neue Normalität“ erweist sich für China als ganz schön schwierig.