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Chinas Staatskapitalismus stößt an seine Grenzen

 

Auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei im November 2013 hatte die chinesische Führung versprochen, den staatlichen Einfluss in der Wirtschaft deutlich zurückzufahren. Mit marktwirtschaftlichen Reformen wolle sie private Unternehmer stärken und ihnen eine wichtigere Rolle zukommen lassen. Doch nun geschieht das Gegenteil. Zumindest einige Staatsunternehmen sollen noch größer werden.

Durch Fusionen und Übernahmen will die Zentralregierung die Zahl der ihr unmittelbar unterstehenden Staatsunternehmen von derzeit 112 auf rund 40 reduzieren, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua. Eine entsprechende Empfehlung soll die für die Überwachung der Staatsunternehmen zuständige Behörde Sasac herausgegeben haben. Sie ist unmittelbar der chinesischen Führung unterstellt.

Offiziell begründet Chinas Führung die Zusammenlegung damit, dass diese Unternehmen dann untereinander weniger Konkurrenzkämpfe ausfechten. Zugleich sollen sie auf den Weltmärkten effizienter und wettbewerbsfähiger werden. Welche Firmen genau verschmolzen werden sollen, gab die Staatsführung bislang ebenso wenig bekannt wie Informationen zum zeitlichen Ablauf.

Dabei gehören Chinas Staatsbetriebe bereits jetzt zu den größten Unternehmen der Welt. Das hat historische Gründe: Wie einst die volkseigenen Betriebe in der DDR oder der Sowjetunion kämpften Anfang und Mitte der neunziger Jahre auch die chinesischen Staatsunternehmen gegen personelle Überkapazitäten. Ihre Produkte galten als nicht wettbewerbstauglich. Zudem waren die meisten von ihnen Ressourcenfresser und viele ihrer Maschinen veraltet.

Doch dem damaligen chinesischen Premierminister Zhu Rongji gelang es, innerhalb weniger Jahre die Staatsunternehmen nicht nur profitabel, sondern sie auch weltweit konkurrenzfähig zu machen. Konzerne wie der Haushaltswarenhersteller Haier, das Ölunternehmen Sinopec, das Stahlunternehmen Baosteel oder der Handy-Anbieter China Mobile zählen in ihren jeweiligen Branchen heute zu den Weltmarktführern. Zugleich gibt es jeweils Konkurrenten – die meisten von ihnen ebenfalls in staatlicher Hand. Denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.

Überfüllte Lager

Für die Zentralregierung hatte dieses Modell den Vorteil, dass über die Steuereinnahmen hinaus ein beträchtlicher Teil des Gewinns dieser staatseigenen Betriebe unmittelbar an den Staat flossen. Und die Einnahmen sprudelten. Bis heute werden rund 30 Prozent der chinesischen Gesamtproduktion von staatseigenen Unternehmen erwirtschaftet. 47 der chinesischen Staatsunternehmen werden unter den Fortune Global 500 gelistet, den weltweit 500 führenden Unternehmen.

Doch inzwischen stößt dieses Modell an seine Grenzen. Chinas langsameres Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass einige Staatsunternehmen gigantische Überkapazitäten aufgebaut haben. Vor allem die Stahlindustrie wird ihre Stahlrollen nicht mehr los. Auch in anderen Branchen sind die Lager überfüllt.

Der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang beteuert seit Monaten, dass es ihm ernst damit sei, die industrielle Überproduktion drastisch zu drosseln. Denn die nicht benötigten Fabriken belasten zunehmend den Staatshaushalt und darüber hinaus die Umwelt. Zugleich ist die chinesische Führung derzeit eifrig dabei, die Wirtschaft des Landes umzubauen. Sie will weg von der kapitalintensiven Schwerindustrie und hin zu einem stärkeren Dienstleistungssektor.

Doch die Führungsspitze in Peking stößt bei ihren Vorhaben auf zum Teil erbitterten Widerstand. Vor allem lokale Beamte, aber auch die Parteikader in den Staatsbetrieben hintertreiben die Pläne und behindern wichtige Reformen. Sie fürchten nicht nur um den Verlust der Arbeitsplätze in ihren Regionen. Viele von ihnen erhielten über viele Jahre hinweg Schmiergeld.

Kampf gegen verkrustete Strukturen

Ohnehin macht die Korruption der chinesischen Führungsspitze zu schaffen. Gegen mehr als 400.000 zum Teil ranghohe Beamte und Parteikader wird seit Beginn der von Chinas Staatspräsident Xi Jinping vor zwei Jahren ausgerufenen Anti-Korruptionskampagne ermittelt, mehr als zwei Drittel davon im Zusammenhang mit Machenschaften der Staatsbetriebe.

Vor allem die Energieunternehmen machen der Führungsspitze zu schaffen. Aktuell geht die Antikorruptionsbehörde gegen Wang Tianpu vor, den Chef des Ölkonzerns Sinopec. Aber auch die Parteisekretäre des Konkurrenzunternehmens PetroChina stehen im Visier – beides staatliche Unternehmen. Doch offensichtlich genügen diese Maßnahmen nicht. Mit der Neuordnung der Staatsbetriebe will Xi offensichtlich die gesamten verkrusteten Strukturen aufbrechen.

Westliche Beobachter hatten gehofft, die Zentralregierung würde bei der Neuordnung die Staatsunternehmen komplett zerschlagen und wichtige Sektoren privatisieren. Doch so weit will die chinesische Führungsspitze dann wohl doch nicht gehen. Sie hält weiter an dem Modell des Staatskapitalismus fest – trotz des anderslautenden Parteitagsbeschlusses.