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China verschießt sein Pulver

 

Derzeit steht es gar nicht gut um Chinas Wirtschaft. Die Exportzahlen brechen ein. Die Industrieproduktion geht zurück. Erzeugerpreise fallen gar auf den tiefsten Wert seit mehr als sechs Jahren – und schüren Ängste vor einer Deflation. Nach den heftigen Turbulenzen an den chinesischen Aktienmärkten der vergangenen Monate mehren sich weltweit die Zweifel, ob China das selbstgesteckte Ziel von sieben Prozent Wirtschaftswachstum in diesem Jahr wirklich noch erreichen wird. Dabei ist das bereits der niedrigste Wert seit mehr als 25 Jahren.

Und doch strahlt Premierminister Li Keqiang eine Zuversicht aus, die angesichts dieser Zahlen glatt Zweifel an seinem Verstand aufkommen lässt. In einer mehr als einstündigen Rede vor führenden Politikern und Wirtschaftskräften aus aller Welt auf dem chinesischen Ableger des Davoser Weltwirtschaftsforums in Dalian versicherte er am Donnerstag, sein Land werde alles dafür tun, dass es zu keiner harten Landung kommen werde. Die chinesische Wirtschaft stehe zwar vor „Herausforderungen“ und es gebe auch „Abwärtsrisiken“. Doch sollte die Abwärtsbewegung außer Kontrolle geraten, sei die Führung jederzeit in der Lage, die Wirtschaft zu stützen. Er zeigte sich zudem äußerst zuversichtlich, dass China seine Wachstumsziele in diesem Jahr sehr wohl erreichen werde.

Den versammelten Wirtschaftsvertretern ist das zwar Musik in den Ohren. Dennoch drängt sich der Verdacht auf, dass es sich bei diesen Worten um Wunschdenken oder gar Propaganda handelt. Oder ist an Lis Zuversicht doch etwas dran?

Tatsächlich verfügte die chinesische Führung viele Jahre lang über eine Reihe von Instrumenten, mit denen sie sehr viel mehr als viele andere Regierungen dieser Welt in der Lage war, einen wirtschaftlichen Abwärtstrend umzukehren. Der Staatssektor ist riesig, die Zentralbank ist der Regierung unterstellt und damit hat sie auch die Kontrolle über die Landeswährung, den Yuan. Zudem war der Staat im Ausland gering verschuldet. Mit den zugleich riesigen Devisenbeständen (den größten der Welt) war Chinas Führung nicht auf Geldgeber der internationalen Kapitalmärkte angewiesen. Das verschaffte ihr großen finanziellen Spielraum.

Doch mit gigantischen Konjunkturprogrammen und unzähligen Investitionen in Flughäfen, Hochgeschwindigkeitsstrecken, Autobahnen und Hochhäuser hat die Staatsführung in den vergangenen Jahren sehr viel Pulver verschossen. Das brachte ihr zwar in den Jahren zwischen 2009 und 2013 die erwünschten Wachstumseffekte, allerdings auch hohe Schulden vor allem bei den Provinz- und Lokalunternehmen. Und auch die Staatsunternehmen und Privatunternehmen sind hoch verschuldet. Die Gesamtschulden belaufen sich inzwischen auf über 290 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung.

Nun hat die Regierung weitere Maßnahmen ergriffen – inzwischen bleibt der Erfolg jedoch aus. So ließ sie im August den Yuan kräftig abwerten, was chinesische Waren im Ausland billiger macht und in normalen Zeiten die Ausfuhren ankurbelt. Ein positiver Effekt für die chinesische Exportwirtschaft ist bislang aber ausgeblieben. Und auch der Versuch der chinesischen Führung, die Wirtschaft über eine gezielte Belebung der Aktienmärkte zu befeuern, dürfte mit den jüngsten Abstürzen vorerst als gescheitert gelten. Zugleich hat sich mit der Abwertung der Abfluss von Kapital massiv beschleunigt. Zahlen der Zentralbank zufolge sind die Währungsreserven des Landes im August um 100 Milliarden US-Dollar auf immer noch gigantische 3,5 Billionen Dollar geschrumpft.

Wenn Chinas Premier nun in seiner Rede versichert, dass seine Führung auch weiter über sämtliche Mittel verfügt, um sich gegen den wirtschaftlichen Abwärtstrend zu stemmen, dann mag er damit bis vor einiger Zeit noch richtig gelegen haben. Das ist aber leider kein Garant mehr, dass das auch künftig noch der Fall sein wird.