Normalerweise gibt die chinesische Führung den internationalen Autoherstellern den Kurs vor. Will etwa Volkswagen in der boomenden Küstenstadt Ningbo ein neues Werk errichten, ringt Peking dem deutschen Autobauer ab, zur Befriedung der Unruheprovinz Xinjiang auch ein Werk in der abgelegenen Provinzhauptstadt Urumqi zu errichten. Und will Daimler seine Stückzahl in China erhöhen, muss sich der Stuttgarter Konzern verpflichten, sehr viel technisches Wissen an die Chinesen abzugeben. Angesichts Chinas Bedeutung als weltgrößter Automarkt und den auch in den nächsten Jahren anhaltend hohen Wachstumsraten fällt es Peking verhältnismäßig leicht, den großen Autokonzernen Zugeständnisse abzuringen.
Doch auf der Shanghaier Autoshow in diesen Tagen scheint sich der Spieß umzudrehen. Die großen Autokonzerne geben der chinesischen Führung mehr oder wenig deutlich zu verstehen, dass sie Pekings Vorgabe nach fünf Millionen Elektroautos bis 2020 nicht nachkommen werden.
„Es gibt eine Diskrepanz zwischen den allgemeinen Zielen und den Zielen der Regierung mit Blick auf die derzeitige Situation“, sagte Jochen Heizmann, Chef des Volkswagen-Konzerns in China, zum Auftakt der Automesse am Wochenende in Shanghai. Für die nächsten zehn Jahre hätten Plug-in-Hybride eine sehr viel größere Chance, auf eine relevante Stückzahl zu kommen, als reine Elektroautos. Toyota stellt die Chinesen gleich vor vollendete Tatsachen: Japans größter Autobauer stellte auf der Messe feierlich den Yundon Showanchin II vor, ein Fahrzeug, das die Japaner speziell für den chinesischen Markt entwickelt haben – es ist ein Hybrid.
Dabei hatte sich die chinesische Regierung hehre Ziele gesetzt. Bis 2015 sollte eine halbe Million Elektroautos auf Chinas Straßen rollen, bis 2020 über fünf Millionen. Von den insgesamt 20 Millionen verkauften Autos im vergangenen Jahr waren jedoch gerade einmal rund 12.000 elektrisch angetrieben. Auch unter chinesischen Autoexperten mehren sich die Stimmen, diese Pläne seien nicht mehr einzuhalten.
Und das trotz der diversen staatlichen Anreize. Umgerechnet zwischen 9.200 und 14.700 Euro an staatlichen Zuschüssen gibt es für den Kauf eines Elektroautos. Und während in Städten wie Shanghai und Peking Käufer von konventionellen Autos Monate warten müssen, bis sie in einem Losverfahren ein Autokennzeichen erhalten, gibt es sie für Stromer sofort.
Der Hauptgrund für das bislang verfehlte Ziel: Obwohl die chinesische Führung seit Jahren auf einheitliche Aufladestationen drängt, haben sich die Autobauer in China auch weiterhin nicht auf ein gemeinsames System geeinigt. Der Egoismus überwiegt bislang. Ein Rundgang über die Automesse in Shanghai macht das deutlich: Fast jeder Autohersteller hat in irgendeiner Ecke zwar ein Elektroauto stehen, jedes von ihnen allerdings auch mit einem eigenen Stecker.
Hinzu kommen Vorschriften, die an den Bedürfnissen der potenziellen Nutzer vorbeigehen. So dürfen Elektroautos aus Angst vor Brandgefahr nicht in Tiefgaragen aufgeladen werden. 80 Prozent der chinesischen Mittelschicht in den Großstädten leben jedoch in Hochhäusern. Ihnen bleibt gar keine andere Möglichkeit, als ihr Auto in der Tiefgarage abzustellen. Für sie kommt der Wechsel auf ein Elektroauto nach derzeitiger Gesetzeslage insofern kaum infrage.
Beim genauen Lesen hat Chinas Führung ihr hoch gestecktes Ziel denn auch inzwischen abgeschwächt. Nicht mehr fünf Millionen reine Elektroautos werden bis 2020 anvisiert, heißt es von offizieller Stelle – jetzt werden darunter auch Plug-in-Hybridfahrzeuge subsumiert. In anderen Worten: In China gehört die Zukunft dem Hybrid.