Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Das Steuerparadies von Chinas Bonzen

 

Auf den ersten Blick ist die Volksrepublik alles andere als ein Paradies für Anleger. Chinas Finanzsektor ist sehr stark reguliert, die chinesische Währung zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt noch immer nicht international frei handelbar. Die chinesische Regierung mischt in allen wesentlichen Dingen mit und Finanzströme ins Land oder aus dem Land hinaus werden streng kontrolliert. Der chinesische Aktienmarkt gleicht einem Casino mit zum Teil aberwitzigen Aufs und Abs. Selbst den eigenen Bürgern bietet der Staat bislang nur wenige Anlagemöglichkeiten und die Chinesen haben nur wenig Vertrauen in ihre Finanzmärkte. Hongkong hingegen ist das absolute Gegenteil.

Dem Tax Justice Network zufolge hat sich die südchinesische Sonderverwaltungszone zu einer der größten Steueroasen der Welt entwickelt. Tatsächlich genießt Hongkong bis heute einen Sonderstatus mit eigener Währung, Gesetzgebung sowie eigenem Staatsbürger- und Steuerrecht. Das Bankgeheimnis ist gesetzlich verankert. Einkünfte werden nur dann besteuert, wenn diese unmittelbar in Hongkong entstanden sind. Alle anderen Erträge sind steuerfrei, das heißt: Wer sein Vermögen in Hongkong anlegt, für den fällt nicht einmal eine Kapitalertragssteuer an.

Das meiste Geld fließt vom chinesischen Festland nach Hongkong. Dabei handelt es sich um Geld, das reiche Chinesen im Ausland anlegen, oft aber auch um Schwarzgeld von korrupten Beamten und Parteisekretären. So sehr Chinas Führung beteuert, im eigenen Land gegen illegale Kapitalströme vorzugehen – an der Schließung des Steuerschlupflochs Hongkong zeigt sie nur wenig Interesse. Denn zugleich ist Hongkong für viele Unternehmen aus der Volksrepublik ein wichtiger Finanzplatz für internationales Kapital zu dem sie vom Festland aus selbst nur wenig Zugang haben. Der internationale Druck wiederum hält sich in Grenzen. Mit China will sich offensichtlich niemand anlegen.

Aber auch die internationalen Player haben Hongkong als Steueroase für sich entdeckt. So gut wie jedes an den Börsen in der City of London oder an der Wall Street registrierte Unternehmen hält mindestens eine Briefkastenfirma in der Sieben-Millionen-Stadt. Und auch für die Banken ist Hongkong ein Paradies. Von den 100 weltweit größten Geldinstituten haben über 70 einen Sitz in der südchinesischen Finanzmetropole. Superreiche aus aller Welt haben dem Tax Justice Network zufolge 2010 zwischen 21 und 32 Milliarden US-Dollar gebunkert. Diese Zahl soll sich dem Netzwerk zufolge in den vergangenen drei Jahren weiter deutlich erhöht haben: Denn Hongkong profitiert zugleich von den verschärften Bedingungen in den bisherigen Steueroasen in Europa und Nordamerika.

Wer in Hongkong jedoch nicht in der Finanzbranche arbeitet, leidet unter dem Kapitalzufluss aus aller Welt. Die Preise vor allem für Immobilien sind in den vergangenen Jahren in die Höhe geschossen. Hongkong gilt inzwischen als eine der teuersten Städte der Welt. Viele Bewohner der Metropole mussten in den vergangenen Jahren aus dem Stadtzentrum ziehen, nicht wenige haben die Stadt aus Kostengründen ganz verlassen. Und selbst viele traditionelle Geschäfte und Restaurants mussten wegen der hohen Mieten ihre Läden schließen. Dabei stand Hongkong lange Zeit vor allem für eins: seine gute Küche.