Verbriefte Kredite aus den USA haben die globale Finanzkrise ausgelöst. In China gab es dieses hochriskante Instrument bislang nicht. Aber die neue Führung des Landes führt es jetzt ein. Sie will das chinesische Finanzsystem fundamental reformieren – und greift dafür auch zu den Teufelsmitteln aus der Giftküche der Wall Street.
Erinnern wir uns: Im Amerika haben Finanzfirmen jahrelang Kredite aufgesplittet, die Bruchteile neu zusammengepackt, die Päckchen in Wertpapiere umgewandelt und verkauft. Auf diese Weise wurden die Schulden zu einer Handelsware. Sie erhielten einen Marktpreis wie Äpfel. Wer die Papiere kaufte, erwarb dadurch ein Anrecht auf künftige Rückzahlungen der Kreditnehmer. Der Verkäufer erhielt im Gegenzug sofort eine feste Summe.
Vor Erfindung und Zulassung der Verbriefungen war der Markt viel übersichtlicher. An einem Kreditgeschäft waren immer nur zwei Parteien beteiligt: Die Bank, die einer Firma oder einer Privatperson Geld lieh. Der Kreditnehmer, der seine Schulden irgendwann zurückzahlen musste. Punkt.
Verbriefte Kredite aber können durch Dutzende von Händen gehen und weltweit gehandelt werden. Wie viel sie tatsächlich wert sind, und ob ihr Preis gerechtfertigt ist, weiß am Ende keiner mehr. So landeten zum Beispiel die Schulden von armen Häuslebauern aus Ohio, die einen für sie unbezahlbaren Immobilienkredit aufgenommen haben, als Premium-Wertpapier bei deutschen Landesbanken. Das Geschäft brachte den Beteiligten enorme Gewinne – bis zum Crash 2008.
China experimentiert zwar schon seit 2005 mit Verbriefungen, hat den Markt bisher aber streng reglementiert. Im Wesentlichen läuft das Kreditgeschäft immer noch ganz klar zwischen den Unternehmen als Schuldnern und den Banken als Gläubigern ab.
Wenn die Regierung jetzt Schmu und Finanztricks legitimiert, kann es dafür eigentlich nur einen Grund geben. Es ist – paradoxerweise – der Versuch, eine mögliche Kreditkrise frühzeitig abzuwehren.
Chinas Banken sollen eine Chance erhalten, ihre faulen Kredite zu entsorgen, bevor sie daran pleitegehen. Im Prinzip eignen sich Kreditverbriefungen zwar auch für kerngesunde Schuldner. In der Praxis aber dienen sie meist dazu, Problemdarlehen zu entsorgen.
In China sind in jüngster Zeit viele Firmen mit der Tilgung ihrer Schulden in Rückstand geraten. Unter ihnen ist etwa der Solarhersteller Suntech, der bereits an Überkapazitäten zugrunde gegangen ist. Oder die Eisenbahngesellschaft, die beim Ausbau der Netze enorm in Vorleistung gegangen ist. Viele weitere chinesische Firmen und Gemeinden sind hoch verschuldet.
Was macht nun eine Bank, wenn ein Schuldner seinen Kredit nicht bedienen kann? Sie muss das Darlehen als verloren verbuchen. Finanzanalysten schauen sehr genau auf den Prozentsatz fauler Kredite, den eine Bank mit sich herumschleppt. Ein Prozent ist vielleicht noch okay, fünf Prozent markieren bereits einen Pleitekandidaten. Auf solche Werte könnten chinesische Banken jedoch durchaus kommen, wenn die Konjunktur einmal schwächer wird.
Bislang besteht keine akute Gefahr. In Chinas stürmischer Wirtschaftsgeschichte gab es schon häufig Bankenkrisen, und die Banken des Landes verfügen über eine unausgesprochene Staatsgarantie. Von früheren Krisen lagern noch immer mehrere hundert Milliarden Euro in sogenannten „Bad Banks“ – was keinen zu stören scheint. Dennoch will Peking nun Kreditverbriefungen erlauben, um die Stabilität des Finanzsystems zu erhöhen.
Allerdings ist zu befürchten, dass Chinas gierige Banker das Instrument missbrauchen, um sich daran zu bereichern. So wie auch ihre Kollegen an der Wall Street es getan haben.