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China bestraft deutsche Autohersteller

 

Es ist noch gar nicht lange her, da versicherte in Peking ein Manager des Volkswagen-Konzerns, sein Unternehmen werde in China noch lange sehr viele Autos verkaufen. Drei weitere Werke will VW in den nächsten Jahren errichten, zusätzlich zu den bereits existierenden 17 Fabriken. Auf die Frage, ob nicht schon bald Überkapazitäten entstehen könnten, antwortete der Sprecher: Nein, denn die Gewinnmarge sei in China sehr hoch. Bevor die Produktion gedrosselt werde, könne VW die Preise senken. Da gebe es noch sehr viel Spielraum.

Es könnte sein, dass die Phase der Preissenkungen für VW nun schneller beginnt als gedacht.

Chinas Kartellwächter haben am Dienstag angekündigt, dass sie die Volkswagen-Tochter Audi und den US-amerikanischen Autobauer Chrysler wegen „monopolistischen Verhaltens“ zu einer Strafe verdonnern werden. Der Monopolverdacht habe sich bestätigt, sagte ein Sprecher der Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC). Sie ist in China eine mächtige Behörde, zuständig unter anderem für die Gestaltung der Preise.

Zum Umfang der Strafe äußerte sich der Sprecher nicht. Die Ermittlungen seien noch nicht vollständig abgeschlossen, sagte er.

Damit verschärft die NDRC ihr Vorgehen gegen ausländische Autohersteller. Schon am Montag hatten Vertreter der Behörde eine Niederlassung des Daimler-Konzerns in Shanghai durchsucht, Mitarbeiter befragt und Computer beschlagnahmt. Ein Daimler-Sprecher bestätigte am Dienstag die Ermittlungen. Einzelheiten gaben weder Daimler noch Audi bekannt.

Der NDRC hat deutschen und anderen ausländischen Autokonzernen mehrfach Wettbewerbsverstöße vorgeworfen. Im Oberklassen-Segment missbrauchten sie ihre marktbeherrschende Stellung und verlangten von ihren chinesischen Kunden zu hohe Preise, vor allem für Ersatzteile und Reparaturen.

Die deutschen Konzerne hatten auf die Vorwürfe schon reagiert. Audi hat seine Preise für Ersatzteile zum 1. August um bis zu 38 Prozent gesenkt; Daimler bietet bestimmte Dienstleistungen im Nachverkauf schon seit Anfang Juli um bis zu 20 Prozent günstiger an und zog am vergangenen Wochenende erneut nach. Mehr als 10.000 Ersatzteile sollen bis zum 1. September durchschnittlich um 15 Prozent reduziert werden, erklärte der Konzern.

Doch das reicht den chinesischen Kartellwächtern offensichtlich nicht. Sie berufen sich auf eine Verordnung, die die NDRC schon 2008 verfügte. Schon damals warf sie ausländischen Autobauern vor, Kunden mit zu hohen Wartungs- und Reparaturpreisen über den Tisch zu ziehen.

An diesen Vorwürfen ist durchaus was dran. Tatsächlich bieten einige ausländische Firmen ihre Waren in der Volksrepublik sehr viel teurer an als in Europa oder Nordamerika. Das betrifft vor allem das Luxussegment und einige besonders populäre Produkte. So zahlen Verbraucher in China für ein iPad Mini umgerechnet rund 470 Euro, während es in in den USA oder Japan 399 Dollar kostet. Die NDRC ermittelt derzeit auch gegen Apple.

Während in Deutschland Apple-Produkte ebenfalls teurer angeboten als in den USA, sich aber kaum jemand darüber aufregt, verbreitet sich in China zunehmend die Ansicht, Chinesen würden von ausländischen Konzernen ungerecht behandelt, zumal ihre Kaufkraft sehr viel geringer sei als diejenige der Käufer in den USA. Die ausländischen Unternehmen wiederum argumentieren mit höheren Ladenmieten in China. Zudem erhebe der Staat ja selbst hohe Import- und Luxussteuern auf die Produkte. Das treibe die Preise nach oben.

Auf Autoersatzteile wird diese Luxussteuer aber nicht erhoben. Und auch ein Daimler oder Audi ist selbst unter Berücksichtigung der Verbrauchersteuern in China sehr viel teurer als in Deutschland oder den USA. Analysten schätzen, dass allein die Gewinnmargen von Daimler bei 20 Prozent pro verkauftem Wagen liegen. In Nordamerika und Europa seien allenfalls zehn Prozent drin.

Und trotzdem sind die deutschen Autobauer in China sehr erfolgreich. Wie der chinesische Branchenverband CAAM erst vor Kurzem mitteilte, liegt der Marktanteil von Audi, Porsche, Mercedes und BMW im Oberklassensegment inzwischen bei rund 80 Prozent. Einheimische Hersteller können nicht mithalten. Und auch insgesamt schrumpft der Anteil heimischer Marken auf dem PKW-Markt derzeit in China. Er ist in den ersten vier Monaten 2014 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um fünf Prozentpunkte gesunken und liegt derzeit bei mickrigen 22 Prozent.

Dass die chinesischen Wettbewerbshüter ausgerechnet nun gegen die deutschen Luxushersteller vorgehen und nicht, als das Gesetz vor sechs Jahren in Kraft trat, erweckt daher den Eindruck, dass die NDRC politische Ziele verfolgt, um den heimischen Anbietern den Rücken zu stärken. Offiziell bestreitet sie das.

Zumindest offiziell erhebt Audi diese Vorwürfe nicht. Und auch sonst ist der Branchenprimus in China um leise Töne bemüht: Unter anderem „Lokalisierungsmaßnahmen“ ermöglichten es Audi, „die Preise für Teile in China anzupassen“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung. Audi könne damit Kostenvorteile an seine Kunden weitergeben.

Ungerecht oder nicht: Verscherzen will es sich die VW-Tochter mit der chinesischen Führung offensichtlich nicht.