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Droht China der Crash?

 

Aus China kommen derzeit eine Reihe schlechter Nachrichten. In den Bilanzen der chinesischen Banken wächst das Volumen an faulen Krediten. Und im ganzen Land haben sich bei Kommunen, Lokalregierungen und Firmen Schuldenberge aufgetürmt, die denen in den USA und Südeuropa nur kaum nachstehen. Das hat bereits zu einer Kreditklemme vor allem für mittelständische Unternehmen und Privatinvestoren geführt.

Hinzu kommt, dass aufgrund der Euro-Krise das Exportwachstum inzwischen fast zum Erliegen gekommen ist. Das Wachstum insgesamt lag im zweiten Quartal so niedrig wie seit Ausbruch der Weltwirtschaftskrise vor vier Jahren nicht mehr. Der Aktienindex CSI300 in Shanghai hat seit Anfang des Jahres fünf Prozent an Wert verloren. Nicht dass Börsenkurven zuverlässig die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung widerspiegeln – schon gar nicht die chinesischen Börsen. Die Stimmung ist aber eindeutig: Auch in China ist es mit der großen Sause zunächst einmal vorbei.

Doch neigt sich nun der jahrzehntelange Boom in der Volksrepublik allgemein dem Ende zu? Und steht das Land gar vor einem Crash, wie es einige Kollegen und Ökonomen bereits seit einigen Monaten voraussehen? Immerhin lehrt ja auch die Erfahrung anderer Länder wie Japan Ende der achtziger Jahre oder Südkorea Ende der neunziger Jahre, dass allzu hitzigen Boomphasen früher oder später ein abruptes Ende folgte.

Nein, ich glaube nicht, dass China vor einem solchen Crash steht.

Im Vergleich zu den krisengeschüttelten westlichen Industrieländern hat China nämlich einige Vorteile. So verschuldet viele Lokalregierungen und Staatsunternehmen derzeit sind – die Zentralregierung ist es nicht. Der Schuldenstand Chinas liegt bei unter 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; die Auslandsverschuldung ist sehr gering. Zugleich verfügt die chinesische Führung über genügend Möglichkeiten, einen möglichen Crash abzuwenden. Anders als die europäischen Regierungen steht Chinas Führung zur Rettung ihrer Banken bereit. Wie mein Kollege vom Handelsblatt anschaulich beschreibt: Sowohl die Banken als auch die Lokalregierungen und Staatsbetriebe – sie sind letztlich alles Unterabteilungen der Kommunistischen Partei.

Es wäre im Übrigen auch nicht das erste Mal, dass die Zentralregierung für ihre „Unterabteilungen“ einsteht. Die geplatzte Blase 1998 im Zuge der Pleite der Guanghou Trust and Investment Corporation – bis dahin Chinas größtes Staatsunternehmen überhaupt – hat sie finanziell ebenso aufgefangen wie Anfang der neunziger Jahre als die chinesische Südseeinsel Hainan schon einmal einen völlig überzogenen Immobilienboom erlebte – der dann implodierte. Und auch Hongkongs Finanzwirtschaft hat Peking während der Asienkrise von 1997 und 1998 aus der Patsche geholfen. Heute ist die Zentralregierung nicht zuletzt mit den ihr unterstellten Devisenreserven reicher denn je.

Ich kann aber nicht bestreiten, dass China ökonomisch vor schwierigen Zeiten steht. Das gigantische Konjunkturpaket von 2009 war alles in allem genommen zwar richtig – durchaus auch in diesem Ausmaß; immerhin stand die Weltwirtschaft vor dem Abgrund. Es hat dennoch auch zu einer Reihe von Fehl- und Überinvestitionen geführt. Hinzu kommen eine Reihe von strukturellen Problemen, wie etwa die Abwanderung arbeitsintensiver Exportbranchen.

Es gibt die Theorie der sogenannten Mittleren Einkommensfalle (Middle-Income Trap). Ihr zufolge bleibt das Wachstum in einem sich entwickelnden Land so lange hoch, wie billige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Sie stehen bei geringen Löhnen für arbeitsintensive Produktionen zur Verfügung, die den Export in die Höhe treiben. Hat ein Land ein bestimmtes Entwicklungsniveau aber erst mal erreicht – sei es durch vollendete Verstädterung, eine alternde Bevölkerung, gesättigte Märkte oder schlicht, weil die Menschen mit gestiegenen Ansprüchen nicht mehr bereit sind, jede Tätigkeit zu machen – dann kommt es darauf an, ob es diesem Land gelingt, neue Wachstumsimpulse zu schaffen.

Das ist aber gar nicht so leicht. Denn ein solches Land muss nun Ideen hervorbringen, die mit den Innovationen der Industrieländer mithalten können. Gelingt dieser Schritt diesem Land nicht, droht ihm ein ähnliches Schicksal wie vielen Ländern Lateinamerikas in den achtziger Jahren. In einer solchen Falle sehen eine Reihe von Ökonomen nun China.

Tatsächlich dürfte China aber noch sehr weit entfernt von dieser Phase sein. Zwar gehören die Haushalte von etwa 300 Millionen Menschen inzwischen zum Mittelstand und verfügen über einen Lebensstandard, der sich von dem der westlicher Industriestaaten nicht mehr allzu sehr unterscheidet. Das sind dennoch gerade einmal weniger als ein Viertel von Chinas Gesamtbevölkerung.

Mindestens weitere 300 Millionen Menschen werden in den kommenden zehn Jahren in die Städte ziehen und alles daran setzen, an den Mittelstand aufzuschließen. Und so lange dieser Strom anhält, wird in China der Nachholbedarf hoch bleiben und damit auch das Wachstum.