China blickt auf wirtschaftlich zwölf schwierige Monate zurück. Fabriken machen dicht, Wanderarbeiter verlieren ihre Jobs, die Aktienkurse brachen im Sommer ein. Das Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr mit wahrscheinlich unter sieben Prozent so niedrig ausfallen wie seit mehr als 25 Jahren nicht. Trotzdem gibt es in der Volksrepublik immer mehr Superreiche.
Wie aus der am Donnerstag veröffentlichen Hurun-Reichenliste hervorgeht, ist die Zahl der chinesischen Vermögenden mit mehr als einer Milliarde US-Dollar in den vergangenen zwölf Monaten auf insgesamt 596 angestiegen. Das sind 242 Milliardäre mehr als im Jahr zuvor. China zählt damit erstmals mehr Milliardäre als die USA, die auf 537 Milliardäre kommt. Die offiziell nach wie vor kommunistisch regierte Volksrepublik ist somit das Land mit den weltweit meisten Superreichen.
Die Hurun-Liste wird jährlich von dem gebürtigen Luxemburger Unternehmer Rupert Hoogewerf erstellt wird. Das vergangene Jahr habe einen neuen Rekord gebracht, sagt der in Shanghai lebende Hoogewerf. „Chinas Reiche haben mehr Wohlstand geschaffen als jemals in einem Land zuvor.“ Werden Hongkong, Taiwan und Macau hinzugerechnet – offiziell chinesische Territorien mit jedoch jeweiligem Sonderstatus – liegt die Zahl der Milliardäre der Hurun-Liste zufolge sogar bei 719.
Reichster Chinese ist mit großem Abstand Wang Jianlin von Dalian Wanda. Der Chef von Chinas größtem Immobilien- und Unterhaltungskonzern konnte sein Vermögen um über zehn Milliarden auf rund 34 Milliarden Dollar erhöhen. Er verdrängte Jack Ma auf Platz zwei, dem Gründer des Internetkonzerns Alibaba, der derzeit auf ein geschätztes Vermögen von rund 22 Milliarden Dollar kommt. Vor einem Jahr wurde Mas Vermögen noch bei rund 25 Milliarden Dollar vermutet. Er war letztes Jahr der Erstplatzierte. Kursverluste der Alibaba-Aktie an der Wall Street sollen sein Vermögen geschmälert haben.
Die Hurun-Liste basiert auf Recherchen von Hoogewerf und seinen Mitarbeitern, sowie auf Schätzungen und Interviews der Vermögenden, die allerdings nur zum Teil auskunftsbereit sind. Hoogewerf gibt zu: „Auf jeden Milliardär, den wir identifiziert haben, haben wir mindestens einen, wenn nicht zwei übersehen.“ Für ihn bedeutet das, dass die tatsächliche Zahl der chinesischen Superreichen bei mindestens 1.800 liegt. Bei den meisten Vermögenden in China handelt es sich um private Unternehmer, die vor 20 Jahren noch weitgehend mittellos waren.
Ein Grund für die deutliche Zunahme der Milliardäre in China sind die Turbulenzen an den Finanzmärkten im zurückliegenden Jahr. Bis Juni 2015 waren die Kurse an den chinesischen Aktienmärkten innerhalb von einem Jahr um 150 Prozent in die Höhe geschossen. Darauf folgte zwar ein Absturz um rund 40 Prozent. Einigen Anlegern gelang es dennoch, über Spekulationsgeschäfte ihr Vermögen zu vergrößern.
Doch in China gibt es nicht nur immer mehr Superreiche. Auch die Mittelschicht wird größer. Der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS) zufolge gehören derzeit rund 350 Millionen Menschen der insgesamt 1,38 Milliarden Chinesen der Mittelschicht an. Die CASS zählt Haushalte mit einem Jahreseinkommen zwischen umgerechnet rund 8.500 und 71.000 Dollar zur Mittelschicht. Das sind rund 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Als arm gilt nach chinesischer Definition hingegen, wem unter einem Dollar am Tag zur Verfügung steht. Rund 70 Millionen Menschen leben offiziellen Zahlen zufolge unter dieser Armutsgrenze. Immerhin hat sich die Zahl der Armen in China im Vergleich zum Vorjahr um etwa zehn Millionen verringert. Mit seinen Superreichen auf der einen Seite und den vielen Armen auf der anderen bleibt China aber eines der Länder auf der Welt mit dem größten Wohlstandsgefälle.