Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Bringt der Führungswechsel eine neue Wirtschaftspolitik?

 

Fast zeitgleich finden in der ersten Novemberwoche zwei Ereignisse statt, die das Weltgeschehen des kommenden Jahrzehnts maßgeblich bestimmen werden. Zum einen ist da die US-Wahl: Amerika wählt nicht nur einen neuen Präsidenten, sondern entscheidet auch über den Kurs der Wirtschaftspolitik in der größten Volkswirtschaft der Welt.

Zum anderen werden in China ab dem 8. November rund 2.500 Delegierte auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei eine neue Führungsspitze für die nächsten zehn Jahre bestimmen. Auch wenn die Posten des Staatspräsidenten und seines Premierministers mit Xi Jinping und Li Keqiang als gesetzt gelten – spannend bleibt die Frage, wer künftig auf den Plätzen 3 bis 7 im höchsten Gremium, dem Ständigen Aussschuss des Politbüros, sitzen wird. Werden sich mutige Reformer durchsetzen oder konservative Hardliner, die am Status Quo festhalten wollen?

Wie auch immer die Entscheidung ausgehen wird – Chinas Wirtschaftpolitik wird sich nicht ändern. Trotz der in jüngerer Zeit sich auch im Reich der Mitte verdüsternden Wirtschaftsdaten läuft in China alles nach Plan. Genau genommen nach dem 12. Fünfjahresplan. An ihm wird auch die künftige Führung festhalten.

Tatsächlich war aus wirtschaftspolitischer Sicht die Tagung des Nationalen Volkskongress im Frühjahr vor zwei Jahren sehr viel entscheidender als nun der Parteitag im November mit dem Führungswechsel. Zur Verabschiedung der Fünfjahrespläne tragen die Delegierten die Daten sämtlicher Statistikbüros, Forschungsinstitute, vor allem aber der mächtigen Planbehörde der Nationalen Kommisson für Entwicklung und Reform (NDRC) zusammen und entwickeln daraus die wirtschaftlichen und sozialen Eckpfeiler für die kommenden fünf Jahre.

In diesen Dokumenten – sie umfassen viele Aktenordner mit Tausenden von Seiten – steht, welche Branchen wie gefördert werden sollen und in welchen Branchen Kapazitäten abzubauen sind. Es finden sich Zielwerte für Arbeitsmarktdaten, für Patentanmeldungen, für den Ausstoß von Klimagasen und für die Zunahme des Wohlstands. Verblüffend ist: Meistens kommt es tatsächlich so wie vorgegeben.

Xi Jinping und seine künftige Führungsmannschaft werden genau da weitermachen, wo ihre Vorgänger aufhören. Das hat auch etwas mit der Art zu tun, wie Wirtschaftspolitik in China organisiert ist. In China bestimmt nicht die Parteiführung die Wirtschaftspolitik, sondern umgekehrt: Die Parteispitze wird nicht zuletzt danach ausgewählt, ob sie mit dem bereits verabschiedeten Kurs konform geht – auch dem der Wirtschaftspolitik.

Die derzeitige Flaute passt dabei gut ins Gesamtbild. Nach Jahren zweistelliger Wachstumsraten entspricht der Wert von 7,5 Prozent für dieses Jahr so ziemlich haargenau den formulierten Zielen, die im 12. Fünfjahresplan formuliert sind.

Chinas Führung will von reiner Quantität hin zu qualitativem Wachstum. Nicht mehr einfach mehr von allem, sondern höherwertige Arbeitsplätze, intelligente Produkte und mehr Umweltschutz. Gleichzeitig ist der Aufbau des größten Sozialsystems in der Menschheitsgeschichte im Gange. Der Erfolg der vergangenen 20 Jahre soll auch der Hälfte der Bevölkerung zugute kommen, die das System bislang zurückgelassen hat.

Xi Jinping und sein künftiger Premier werden von diesem Kurs nicht abweichen. Tatsächlich könnten sie einen radikalen Kurswechsel auch kaum durchsetzen. Denn der gigantische Beamtenapparat, 80 Millionen Mitglieder an der Kommunistischen Basis, die Provinzpolitiker und die Manager der Staatsunternehmen stimmen dem derzeitigen Kurs im Wesentlichen zu. Xi kann nur mit ihnen regieren, nicht gegen sie. Das führt in einem sich rasant entwickelndem Entwicklungsland wie China zu einer Stabilität, über die andere Entwicklungsländer häufig nicht verfügen und die die Wirtschaft vor Ort durchaus zu schätzen weiß.

Das bestätigen im übrigen auch deutsche Firmen vor Ort. Vom Führungswechsel erwarten auch sie mehrheitlich keine Änderung in den Geschäftsbedingungen.