Ein neues Rad der Marke Samstag ist immer alt – mindestens 40 Jahre, häufig ist es auch älter. Das sieht man den Velos jedoch nicht an. Genauso wenig wie ihre Herkunft. Ihr Erfinder Christopher Lewis baut sie aus mehreren Fundrädern zusammen, lackiert sie und macht aus ihnen Unikate. Neu sind nur Kleinigkeiten.
Der Begriff Retro erhält in Lewis‘ Münchener Werkstatt eine ganz neue Bedeutung. Was er hier aufreiht und verbaut, hat die Gesellschaft längst ausrangiert. Markenräder von Victoria, Peugeot, Rabeneick und anderen Herstellern, deren Namen man seit Jahrzehnten mit Tradition und Qualität verbindet.
Sein erstes Schrottrad entdeckte Lewis auf einem frisch gepflügten Acker. „Es war ein altes Rad aus den 1950ern mit verbogenem Rahmen, ohne Bremsen, aber Luft in den Schläuchen und schönen Verzierungen am Rahmen“, erinnert er sich. Der bizarre Fundort irritierte den Künstler und Filmemacher. Er schob das Velo vier Kilometer heim und stellte es in sein Atelier. Das Rad brachte ihn zum Nachdenken: „Wie war es hierher gelangt? Was war seine Geschichte?“ Erst später sei ihm klar geworden, dass es sich um eine soziale Skulptur im Sinne von Joseph Beuys handele.
Von nun an fischte Lewis Überreste alter Radschönheiten aus Containern oder klaubte sie vom Straßenrand. Er war begeistert von ihren stabilen Stahlrahmen, begann sie zu zerlegen und die brauchbaren Einzelteile zu neuen Rädern zusammen zu fügen. Den Rahmen brachte er zum Pulverbeschichten, und er beauftragte einen Sattler, neue Bezüge für alte Sattelgestelle anzufertigen.
Zwei, drei Räder baute er so zusammen. Als Freunde fragten, ob sie die Räder kaufen könnten, zuckte Lewis zusammen. Aber aus seinem spontanen „Weiß nicht!“ wurde recht schnell „Warum eigentlich nicht!“
Seit ein paar Monaten verkauft Lewis seine Unikate. Es sind Räder, nach denen man sich umdreht. Ihre Farben lassen die Passanten aufblicken. Details wie rote Pedale oder blaue Griffe sind helle Leuchtpunkte. Manchmal kombiniert Lewis alten mit neuem Lack, oder er legt den Rahmen frei und versiegelt die polierte Fläche mit Klarlack.
Mittlerweile verkauft er seine Räder unter der Marke Samstag. „Weil Samstag der Tag ist, an dem ungewöhnliche Ideen Platz finden“, sagt Lewis, „der Tag, an dem man auch ein bisschen spinnen darf.“ Sein neuestes Projekt ist ein Rennrad für einen Manager in Monaco. Die Wunschfarbe des Kunden: weiß-beige. Ein strahlendes Rad passe gut an die Côte d’Azur, findet Lewis. Dazu Pedale und Züge aus Kupfer – das würde ihm gefallen, dem Kunden auch. Zwischen 800 und 1.800 Euro kosten in etwa seine Räder. Wenn er die Kunden intensiv berät, kann es auch teurer werden.
Bei der Ausstattung greift Lewis auf seinen Fundus zurück. „Meist verbaue ich die Dreigang-Sachs-Schaltung“, sagt er. Ansonsten verlassen auch Eingangräder seine Werkstatt. Ab und an ersteigert er alte Griffe bei Ebay. Für seine Räder lehnt er den Onlinehandel jedoch ab. Wer bei ihm ein Velo kauft, muss es auch probefahren.