Fahrradwerbung gibt es eigentlich nicht in Tageszeitungen. Deshalb war ich ziemlich überrascht, als zum Jahresbeginn gleich einige Tage in Folge Daimler im Großformat für sein Smart E-Bike warb. Wenn es um Werbung und Markenbildung geht, kann die Fahrradindustrie von den Autoherstellern noch einiges lernen.
Rund 60 Prozent der Menschen wissen nicht, welche Fahrradmarke sie fahren. Das hat das Marktforschungsinstitut Sinus 2011 in der Onlinebefragung „Fahrrad-Monitor Deutschland 2011“ herausgefunden. Das wäre bei Autofahrern undenkbar. Jeder weiß, welches Auto er fährt. Dass dies bei Velos nicht so ist, liegt nicht am Produkt an sich.
Anders als bei Automarken fehlen den Kunden bei den Rädern Assoziationen zu den verschiedenen Marken. Der Fahrradmarkt ist unglaublich groß, es gibt unzählige Anbieter. In Prospekten und Katalogen sehen die Räder aber alle ziemlich gleich aus: Velos vor weißem Hintergrund. Auf den ersten Blick unterscheiden sie sich gerade einmal aufgrund ihrer Farbe, auf dem zweiten in der Qualität ihrer Ausstattung. Das ist interessant für Kenner, aber nicht für Laien.
In der sehr lesenswerten Studie E-Mobility: Schöne neue Fahrradwelt und ihre Folgen für Design und Marke weist die Marken- und Designagentur Wolf die Hersteller darauf hin, dass sie damit viel Potenzial verschenken. Zukünftig würden nur starke Marken überleben – das sind der Agentur zufolge diejenigen, die ihren Rädern ein Image geben können. Vor ein paar Jahrzehnten hat Kettler sein Alu-Rad zu einer Marke gemacht. Es war für Alltagsfahrer der Inbegriff eines leichten, langlebigen und hochwertigen Velos, es war modern. Noch heute ist Kettler Alu-Rad vielen Menschen ein Begriff.
Die Automobilbranche verbindet über Werbung in Print und Fernsehen ihre Wagen mit starken Attributen. Man denke nur an den Slogan „Nichts ist unmöglich …“. Für die Fahrradbranche ist das Werben in diesen Medien zu teuer, sagt Gunnar Fehlau, Leiter des Pressedienstes Fahrrad. Der Preisdruck innerhalb der Branche sei hoch und der Werbeetat auch aus diesem Grund oftmals sehr niedrig.
Helfen würde allerdings schon eine klarere Zuweisung von Eigenschaften, wie der Hersteller Riese und Müller das über die Produktfotos der bluelabel-Reihe praktiziert. Sie präsentieren ihre Räder in Alltagsszenen jugendlich, familiär, vergnügt. Auf diesen Velos scheint man mit viel Gepäck und mit mehreren Personen entspannt durch den Alltag zu rollen. Ganz anders präsentiert dagegen der Hersteller Grace seine Räder. Mit denen ist man cool, stylish und extravagant unterwegs.
Mit dieser klaren Attributzuweisung sind diese Hersteller Ausnahmen. Velos sind für 60 Prozent der Fahrer No-Name-Produkte. Damit verwirren die Hersteller ihre Kunden. Speziell auf dem jungen E-Bike-Markt. Hier suchen die Käufer Orientierungshilfen.
Allerdings gilt auch hier wie für jedes andere Produkt: Verpackung und Inhalt müssen zueinander passen. Das in der Tageszeitung so perfekt in Szene gesetzte Smart E-Bike ist technisch nichts Besonderes. Das einzige, was es vielen anderen Herstellern voraus hat, ist perfektes Marketing.