Smartphone-Apps sollen Radfahrern Aufgaben abnehmen. Unser E-Bike-Verleiher in Barcelona bietet Touristen Smartphones mit einer umfangreichen Kultur-App an. Die wollen wir ausprobieren. Wir finden die Idee verlockend: Das Smartphone soll uns nicht nur den Weg anzeigen, sondern uns per akustischem Signal Sehenswürdigkeiten ankündigen und uns dann vor Ort alles Wissenswerte erklären. Das ständige Auf- und Zufalten der Karte sollte wegfallen. Nach kurzer Zeit sind wir froh, doch eine Faltkarte mit allen Fahrradstrecken dabei zu haben. Und wir lernen: Katalanische Busfahrer reagieren temperamentvoll, wenn man auf ihrer Spur unterwegs ist.
Wir hätten schon im Laden misstrauisch werden sollen. Schon dort ließ sich die App nicht aufrufen. Dabei sollte sie uns auf Fahrradwegen zu Gaudi-Bauten führen. Wir waren in der Altstadt, unser Ziel war der Park Güell und – sofern noch Zeit wäre – der Tibidabo, einer der Barcelona umgebenden Berge. Der Großteil der Stadt liegt etwa 13 Meter über dem Meeresspiegel. Sie ist topfeben, erst in unmittelbarer Nähe der Berge geht es steil bergauf. Jeder Radverleiher, der hörte, dass wir Gaudis Park anschauen wollten, schüttelte abwehrend den Kopf. Mit dem Fahrrad? Da rauf? Nie.
Für uns war das die Gelegenheit, Elektroräder auszuprobieren. Auf Smart E-Bikes radeln wir los. Aber selbst als wir die Altstadt mit ihren schmalen Gassen und den hohen Häusern mit ihren dicken Mauern endlich hinter uns gelassen haben, funktioniert die App nicht. Der Server ist das Problem. Deshalb fahren wir erst mal mit Hilfe von Googlemaps durch die Stadt. Allerdings ist das, freundlich gesagt, suboptimal.
In der Sonne können wir auf dem Display kaum etwas erkennen. Das ständige Anhalten im Schatten in der Stadt wird schnell lästig. Irgendwann zücken wir unsere Fahrradkarte. Die hatte die Stadtverwaltung eine Zeit lang kostenlos für Radfahrer herausgegeben. Leider wird die Karte aus Sparmaßnahmen anscheinend nicht mehr aufgelegt. Man findet sie hier und kann sie sich in Farbe selbst ausdrucken. Das lohnt sich.
Gerade radeln wir noch entspannt nebeneinander her. Da erstreckt sich plötzlich vor uns die erwartete Steigung. Die Straße scheint senkrecht in die Höhe zu führen. Schnell schalten wir auf die höchste Unterstützungsstufe. Trotz Motor kommen wir ins Schwitzten. Gleichzeitig ist es unglaublich, in welchem Tempo wir die Steigung meistern. Ohne Unterstützung aus der Konserve hätte ich das 26 Kilo schwere Smart-Bike mit seinen gerade mal drei Gängen nie hier hoch gebracht. Die Steigungen um den Park Güell sind extrem. Für Fußgänger gibt es Rolltreppen an diesen Stellen. Sie bieten ein bizarres Bild, wie sie eingebettet von bunt bepflanzten Blumenkübeln, Bäumen und Wohnhäusern aufwärts rollen. Kurios, aber sehr nützlich.
Abwärts teste ich die Motorbremse. Per Rekuperation wird jetzt Strom zurückgewonnen. Auf dem Display merke ich leider nichts davon. Mit der Motorbremse kann man die Geschwindigkeit im Gefälle gut dosieren. Wer sie komplett ausnutzt, muss sogar mittreten, damit er nicht stehenbleibt.
Bedeutend bedienerfreundlicher wäre es jedoch, wenn man Motorbremse und Motorunterstützung vom Lenker aus zu- oder abschalten könnte. So muss man in steilen Lagen den Lenker loslassen, um auf Vorbauhöhe die Wahl der Unterstützung am Bordcomputer zu regeln. Das ist kein Spaß.
Vom Park Güell suchen wir uns einen Weg Richtung Tibidabo. Hier ist am Samstagnachmittag wenig Verkehr, und wir können bequem auf der Straße fahren.
Das wird Stunden später, als wir den Weg zurück zur Altstadt suchen, ziemlich ungemütlich. Dort wo es keine Fahrspuren für sie gibt, scheinen Radfahrer nicht wirklich erwünscht zu sein. Von der dreispurigen Fahrbahn haben wir uns die rechte ausgesucht. Die Worte „Bus“ und „Taxi“ sind dick auf den Asphalt gepinselt. In Deutschland können Radfahrer diese Spur oft mitnutzen. Nicht so in Barcelona. Hupend wollen uns die Busfahrer aus dem Weg räumen – obwohl sie uns leicht überholen könnten, denn die linke Spur ist frei. Als ich auf eine Lücke zwischen den parkenden Autos warte und noch einen Moment weiter fahre, rücken sie meinem Hinterrad empfindlich nah.
Wer die Gepflogenheiten kennt und sich im Gewirr der Nebenstraßen zurecht findet, ist hier klar im Vorteil. Die Katalanen scheinen nicht so zimperlich zu sein wie wir als Fremde. Wir sehen sie mit ihren Rennrädern auf Schnellstraßen fahren und sogar auf dem Autobahnzubringer zum Flughafen auf dem Standstreifen. Wo die Infrastruktur fehlt, hilft man sich hier selbst. Wir dagegen sind froh, als wir in Altstadtnähe wieder auf Straßen mit Fahrradspur treffen.
Andrea Reidl wird in drei Teilen über Fahrradläden und Radfahren in Barcelona berichten. Hier geht es zum ersten Beitrag.