Erstaunlich leicht und selbstverständlich wirken die Fotos von Jörg Nicht. Der Sozialwissenschaftler fotografiert seit Jahren Menschen – oft auch mit Fahrrad – in Berlin. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Verkehr und Fotografie hat sein Auge geschult. Seine Bilder wirken zufällig, sind aber genau komponiert. Sehen kann man seine Fotos auf Instagram.
Das Großstadt-Ambiente ist immer ähnlich auf Nichts Velo-Fotos: Die zentrale Figur ist der Radfahrer, der unterwegs ist und etwa über Schienen fährt, an quietschgelben Straßenbahnen vorbei, sich auf der Fahrbahn in seegleichen Pfützen spiegelt oder im Gegenlicht die Straßen quert.
Nicht fotografiert mit seinem iPhone, und 180.000 Follower aus der ganzen Welt verfolgen seine Arbeit auf Instagram. Das ist eine kostenlose Foto-Sharing-App für iOS- und Android-Mobilgeräte, mit der Nutzer Fotos erstellen und verfremden können. Im Internet sind sie frei zugänglich.
Die Bildsprache des Berliners ist beliebt. Diese Popularität führte ihn auch nach Israel: Eine israelische Nichtregierungs-Organisation hatte ihn und neun weitere Instagrammer im September nach Israel eingeladen, damit sie ihre Sicht auf Israel auf Instagram dokumentieren. Einen Ausschnitt davon sieht man hier in dem Video.
Manche seiner Follower haben konkrete Vorlieben, wie Jörg Nicht erzählt. So kommentierten Japaner begeistert seine Fotos von gelben Straßenbahnen. Andere mögen eher die Sepia-Bilder, die teils an alte Filmaufnahmen erinnern. Dagegen ist es dem Soziologen wichtig, eine neutrale Großstadtatmosphäre darzustellen, die ebenso für Berlin wie für New York gilt. Was dafür nötig ist, sind mehrspurige Straßen, manchmal eine Hochbahn und Radfahrer.
Nichts Fotos entstehen im Alltag. Auf dem Weg zur Arbeit steigt er eine U-Bahnstation früher aus und gönnt sich ein paar Fotominuten mit dem iPhone. Die Fotos sind mit einem Format von etwa 10,5 x 10,5 alle recht klein. Je nach Aufbereitung und Motivwahl erinnern sie an Polaroidaufnahmen oder auch an Fotos aus den fünfziger Jahren.
Rund 2.500 Fotos hat er online gestellt. Seine sehr sehenswerte Instagram-Ausstellung findet man hier.