Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Fahrradplausch auf Mallorca

 

© pd-f/ Gunnar Fehlau
© pd-f/ Gunnar Fehlau

„Coll de sa Batalla“ hatte am Fuß der Steigung auf dem braunen Schild gestanden. 7,9 km sollte es hoch gehen, mit einem Anstieg von fünf Prozent. Der Schweiß perlt mir aus den Poren, aber das Tempo stimmt. Entspannt plaudernd rolle ich mit einem Mitfahrer im Schatten bergauf. Zeit spielt keine Rolle. Die Strecke ist traumhaft. Nur ist die Straße für mallorquinische Verhältnisse etwas voll. Überholen uns sonst in einer Stunde fünf Autos, sind es jetzt Radfahrer: alle paar Minuten ein Tross. Kein Wunder, das Kloster Lluc auf Mallorca ist ein beliebtes Etappenziel.

Jetzt im Frühjahr ist Hochsaison für Freizeitfahrer auf der Baleareninsel. An jedem Berg arbeiten sie sich auf ihren Rennrädern ab. Die Profis sind schon seit Januar weg. Deren Trainingslager beginnt bereits Mitte November. Im Sommer schließlich wird es leer. Dann ist es zu heiß zum Fahren.

Die Liste an Anbietern, die Radsportferien organisieren, ist lang. Die beiden Größten auf der Insel sind zwei ehemalige Radsportprofis, der Schweizer Max Hürzeler und der Niederländer Fred Rompelberg. Der hält bis heute mit 268,8 Stundenkilometern den Weltrekord im Radfahren, bei dem man hinter einem Motor-Fahrzeug fährt. Allein bei Rompelberg wohnen 500 Radfahrer pro Woche. In ihrem Ferienpaket sind neben Wohnen und Verpflegung auch Leihräder, Trikots, Gruppenfahrten und Fotos enthalten.

Mit sechs Kollegen aus der Branche habe ich das Kontrastprogramm gebucht. Wir sind alle privat hier. Wir wollen eine Woche lang Radfahren, möglichst bei Sonnenschein und möglichst in kurzen Hosen.

Unser Domizil liegt in der Mitte der Insel in Sineu. Hier hat der Olympiasieger und Steherfahrer Jan Eric Schwarzer eine kleine familiäre Unterkunft, im Stil einer Radsport-WG aufgezogen. Neben der Ruhe ist der große Vorteil der Standort. Kaum lässt man die schattigen Gassen mit ihren sandfarbenen Häusern hinter sich, breitet sich Mallorca mit seinem schönsten Radsport-Portfolio aus: Schmale Straßen streben in alle Himmelsrichtungen. Und das auf allen Niveaus: eben, wellig oder bergig.

Heute Morgen sind wir Richtung Norden aufgebrochen. Immer wieder bläst uns der Wind kräftig ins Gesicht. Ich bin Rennradnovizin. Erst am Vortag haben wir in Dreiergruppen das Windschattenfahren geübt. Das kommt mir jetzt zugute. Wie ein Kaugummi klebe ich am Hinterrad meines Vordermanns, einem erfahrenen Gruppenfahrer. Eigentlich gebe ich nicht gern Kontrolle ab. Aber sein ruhiger Fahrstil und seine frühzeitigen Kommandos vermitteln Sicherheit. Eine gute Basis, um sich an sein Hinterrad zu hängen.

Die asphaltierten Landstraßen sind perfekt für unseren Kurzflug. So viel Fahrkomfort hatte ich nicht erwartet. Selbst die Nebenstraßen, die von Steinmauern und Orangenbäumen gesäumt sind, präsentieren sich in einem erstaunlich guten Zustand.

Nach einer Fahrzeit von etwas über einer Stunde erreichen wir den Wegweiser „Coll de sa Batalla“. Noch schnell ein Gruppenfoto, dann trennt sich die Gruppe und jeder nimmt in seinem Tempo die Steigung in Angriff. Einer aus der Gruppe muss Höhenmeter sammeln, er wird mehrmals hinauffahren. Der Treffpunkt ist das Kloster Lluc.

Dorthin kommen die wenigsten Radfahrer. Viele sparen sich den Abstecher von der Hauptstraße, rasten nur kurz an einem Straßencafé am Bergsattel, um dann weiter ins Gebirge vorzudringen.

An dem Straßencafé geht es zu, wie auf vielen mallorquinischen Plätzen um zwölf Uhr Mittags. Für ein bis zwei Stunden verwandeln sich die beschaulichen und spärlich besuchten Cafés in bunte Fahrerlager. Jetzt im Frühjahr haben die Gastronomen ihren Service für Radsportler perfektioniert. In Kooperation mit den Radreiseanbietern stellen sie breite Ständer vor die Cafés, an denen die Fahrer ihre leichten Renner wie Kleiderbügel aufhängen. Wenn alle satt sind und ihre Trinkflaschen gefüllt haben, geht es zurück auf die Straße – auf zur nächsten Stadt, zum Meer, dem nächsten Gipfel und bis zum nächsten Stopp beim Kuchenessen um drei.

Rennradfahren auf Mallorca ist eine sehr überschaubare und erholsame Art, Urlaub zu machen. Die größten Aufgaben bestehen darin, die Abzweigung nicht zu verpassen und beim Bergfahren den richtigen Tritt zu finden. Die Kondition kommt mit jedem weiteren Tag auf dem Rad fast von alleine. Vorausgesetzt die Regeneration ist mit viel Essen und viel Schlaf sichergestellt. In diesem Modus hat Rennradfahren etwas Meditatives. Immer wieder wundert man sich an den Ortsschildern: Wie schon da? So geht es uns auch nach 50 Minuten Fahrradplausch vorm Kloster Lluc. Wie, das war’s? Ja genau. Und jetzt gibt es erstmal was zu essen!