Sonntags schiebt Tobias Rudolph sein Fahrrad gerne in Berlin über den Flohmarkt. Für ihn ist das Marktforschung. Ein spontaneres und ehrlicheres Feedback bekommt er selten für sein selbstgebautes Velo. Rudolphs Rad ist ein Unikat, er hat es aus acht verschiedenen Holzsorten verleimt und statt Muffen hält Flachs den Rahmen zusammen. Natürlich dürfen die Leute sein Rad anheben – dann erntet Rudolph oft staunende Ausrufe.
Denn für die Größe und das Material ist das Rad sehr leicht. Gerade mal 7,5 Kilogramm wiegt es, so wie es auf dem Bild zu sehen ist, und das bei einer Rahmengröße von 63 Zentimetern.
Tobias Rudolph gefällt der Baustoff Holz. Außerdem findet er, dass ungewöhnliche Produkte wie Holzräder Menschen inspirieren, Neues auszuprobieren.
Dabei hatte er die Idee ein Holzfahrrad zu bauen, schon fast aufgegeben. Sein ursprünglicher Plan, Rohre mit einem Kern aus Balsaholz zu bauen, scheiterte am Material. Er bekam keinen Balsakern mit einem ausreichend großen Durchmesser von 50 Millimetern. Das war vor vier Jahren. Erst im vergangenen Jahr hatte er dann die Idee, das Rad nicht aus massiven Rohren, sondern aus achteckigen Hohlkörpern zu bauen.
Rudolph hat seine Vorgehensweise dem Modellbau abgeschaut und die Hohlkörper zusammengeleimt, zunächst vier Millimeter dickes Pappelsperrholz und darauf ein etwa drei Millimeter dickes Eichenfurnier. Die Pappel ist leicht und gibt die Form, die Eiche sorgt für Härte und Stabilität. „Die Holzrohre müssen wie beim Aluminium relativ dick sein, um die notwendige Steifigkeit zu erhalten“, sagt Rudolph.
Heute vergleicht er das Fahrverhalten seines Rads Ligneus Octo („acht Hölzer“) mit dem eines hochwertigen Stahlrahmens. Er ist damit täglich unterwegs. Es ist ein Cityrad, wie er sagt, mit dem er schnell und komfortabel selbst auf dem Ostberliner Kopfsteinpflaster unterwegs ist.
Ein paar Teile konnte und wollte er nicht ersetzen. So ist das Steuerrohr aus Aluminium, die Gabel aus Carbon. Am Tretlager hat er Aluminiumhülsen verbaut, und die Ausfallenden sind aus Edelstahl. „Ich will nicht das Rad neu erfinden“, sagt Rudolph. Er hofft eher darauf, damit Menschen zu animieren, ausgetretene Wege zu verlassen.
Seit fünf Jahren beschäftigt er sich mit alternativen Werkstoffen im Fahrradbau. Er fertigt verschiedene Holzlenker, verkauft sie unter dem Namen Naturrad und baut Bambusräder – allesamt Stücke für Liebhaber. Ihre Pflege sei relativ leicht, sagt Rudolph. Das Holz behandelt er erst mit einem Öl und anschließend mit einem Hartwachsöl. Allerdings sollte man das Ligneus Octo über den Winter weder vor der Haustür parken noch drei Tage im Regen stehen lassen. Aber das traut er seinen Kunden auch nicht zu. Seiner Meinung nach ist es mit einem Holzrad wie mit einem antiken Möbel: „Mit dem geht man pfleglich um.“