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Neues Leihradsystem für Kopenhagen umstritten

 

Die Gobike-Flotte © Cykel Dk
Die Gobike-Flotte © Cykel Dk

Für Außenstehende wirkt Kopenhagens neues Fahrradverleihsystem konsequent. Die modernen Cityräder fügen sich gut in das Bild, das man von der dänischen Fahrradstadt hat: Radfahren ist dort schnell, sicher und einfach. Die neuen Räder verstärken diese Eigenschaften. Sie sind mit Tablets ausgerüstet und können auf Wunsch einen Motor zuschalten. Doch das System, das im Herbst etabliert werden soll, hat auch Kritiker.

Das Gobike-Velo soll mehr sein als ein herkömmliches Leihrad. Geht es nach der Stadt Kopenhagen, dann ist es künftig seine Aufgabe, die Mobilitätslücke der Pendler zwischen Bahn und Zielort zu schließen. Deshalb sind die Räder mit einigen Extras ausgestattet, die das Fahren und Mieten erleichtern sollen.

Jedes Gobike hat am Lenker einen fest installierten Tablet-Computer. Über den besonders robust gefertigten Bildschirm entsperrt der Nutzer zunächst das Rad per Code, um es dann zu bezahlen. Als Zusatzoption können die Nutzer aktuelle Fahrpläne abrufen, die ihnen verspätete Züge und Busse anzeigen. Sie können aber auch kulturelle Angebote abfragen, etwa über die Sehenswürdigkeiten in der Stadt. Für Pendler ist es einfach, sich ein Gobike am Bahnhof zu sichern. Sie mieten es per Computer bereits von daheim oder via Smartphone von unterwegs.

Ein weiteres Novum bei diesem System ist die E-Bike-Funktion. Wer will, kann den Akku freischalten und mit Motorunterstützung radeln. Im Herbst sollen die ersten 250 Räder in Frederiksberg, einer an Kopenhagen grenzenden Kommune, und im Zentrum der dänischen Hauptstadt aufgestellt werden. Bis zum Frühjahr sollen sie auf 1.260 aufgestockt werden.

Torben Aagaard, Geschäftsführer von Cykel Dk, das die Gobikes vertreibt, hat sich das Ziel gesetzt, im kommenden Jahr zwischen 2.000 bis 3.000 dieser Räder auf die Straßen zu bringen. Aagaard ist sich sicher, mit Gobike mehr Menschen zum Umsteigen vom Auto aufs Rad zu bewegen. „Mit elektrischer Unterstützung ist das Fahren viel einfacher“, sagt er.

Die Kritiker der Gobikes finden diese Extras überflüssig. Ihr größter Kritikpunkt sind die Kosten. Aagaard vermietet die Räder für acht Jahre an die Kommunen. Die Kosten für ein Rad, erklärt er, werden über die Kommune und die Mieteinnahmen gedeckt.

Der Nutzer zahlt in der ersten Stunde umgerechnet etwa 2,70 bis 3,30 Euro, je nachdem ob er mit oder ohne Motor fährt. Jede weitere Stunde ist günstiger, sie kostet etwa 50 bis 80 Cent. Für angemeldete Nutzer wird das Leihen günstiger. Sie bezahlen neben ihrem monatlichen Mitgliedsbeitrag von rund zehn Euro nur noch etwa die Hälfte des Mietpreises.

The Copenhagen Post berichtete, dass der Rat von Frederiksberg und der Bahnbetreiber DSB jeweils rund 1,5 Millionen Euro in das Leihradsystem investieren. Der Kopenhagener Stadtrat stimmt allerdings erst im Herbst darüber ab, ob er in den kommenden acht Jahren etwa 13,4 Millionen Euro zu Gobike beisteuern wird.

Ob diese Kostenaufteilung das System langfristig finanziert, bezweifeln seine Kritiker. Mikael Colville-Andersen, Mitbegründer der Beratungsfirma Copenhagenize und weltweit agierender Velo-Botschafter seiner Stadt, sagte zu The Copenhagen Post, es gebe fantastische Radsharing-Systeme in den Niederlanden, die kosteneffizient seien und die man kopieren könne. Für ihn verkompliziert Gobike völlig unnötig ein einfaches System. Zudem findet er es gefährlich, sich in einer Stadt, in der die durchschnittliche Geschwindigkeit 16 km/h betrage, per Motor mit 25 km/h fortzubewegen.

Des Weiteren räumen die Kritiker ein, dass das Tablet die Fahrer während der Fahrt ablenken könne. Diese Äußerung verwundert. Für viele Radfahrer in Europa ist es mittlerweile üblich, mit Smartphone am Lenker zu radeln. Sie nutzen es als GPS in der Stadt oder im Gelände, auch Fahrradvermieter verleihen Smartphones als Stadtführer an Radtouristen.

Eines der alten Bycyklen-Leihräder Kopenhagens © Reidl
Eines der alten Bycyklen-Leihräder in Kopenhagen © Reidl

Für Kopenhagen ist der Übergang vom alten auf das neue System ein immenser Innovationssprung. Als die Stadt 1995 die ersten 1.000 Leihräder im Zentrum verteilte, war sie schon einmal Vorreiter in Europa. Schnell und einfach per Kronenstück konnte man die Velos ausleihen. Sie waren vielleicht nicht besonders schön und auch etwas schwer, dafür war das Einkaufswagen-Prinzip unschlagbar simpel und eben kostenlos.

Das Gobike-System klingt nach schöner neuer Welt. Funktioniert es im Alltag tatsächlich wie angekündigt, ist ein weiterer Schritt in Richtung umweltfreundlicher innerstädtischer Fortbewegung getan. Die Form der Vernetzung ist einfach und sie erleichtert den Alltag. Sie kann Menschen aufs Rad bringen, die sonst lieber mit dem Auto fahren. Doch ob das neue System zum Vorreiter oder zum Flop wird, entscheidet letztlich die Alltagstauglichkeit der Räder. Sie müssen im Praxistest zeigen, wie allwettertauglich sie mit ihren Tablets und ihrer E-Bike-Option wirklich sind, ob es ausreichend Räder gibt und ob man sie vernünftig abstellen kann.