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Falschparker bald per App anzeigen?

 

Das Problem kennt jeder Velofahrer: Autos parken Radwege zu. Bislang konnten Radfahrer sich das Nummernschild notieren und den Halter anzeigen. Wenn es nach vier Berlinern geht, schlüpfen Radfahrer und Fußgänger demnächst in die Rolle von Hilfspolizisten. Mit der Smartphone-App Straßensheriff sollen Falschparker erst auf ihr Vergehen hingewiesen und – falls sie sich als Wiederholungstäter entpuppen – via App per Fingertipp angezeigt werden.

„Die Anzeige ist die ultima ratio. Manchen notorischen Falschparkern kommt man anders nicht bei“, heißt es auf der Finanzierungsplattform Startnext. Dort sammeln die Straßensheriff-Macher gerade Geld für ihr Projekt. „Ein Klick, ein Foto und GPS-Daten fügen sich zu einer Anzeige zusammen und werden mit den eigenen Absenderdaten an Amt oder Polizei übermittelt“, heißt es dort weiter. Der Anzeige soll allerdings eine freundliche Botschaft an den Falschparker vorangehen. Sie soll ihn auf sein Fehlverhalten hinweisen.

Straßensheriff will Radfahrern einen Weg ebnen, parkende Autohalter zu kontaktieren – durchaus nicht nur im Negativen. „Wir wollen Autofahrern auch was Gutes tun, ihnen beispielsweise eine Nachricht über brennendes Licht oder ein offenes Dach kurz vor dem Gewitter zukommen lassen“, erläutern die Macher um den Bahnmanager Heinrich Strößenreuther ihr Konzept. „Es wird noch geprüft, wie sich dieses Vorhaben mit dem Datenschutz in Einklang bringen lässt.“

Doch ob die freundliche Kontaktaufnahme jemals zustandekommt, ist fraglich. Die Idee ist nämlich, dass sich Autofahrer bei Straßensheriff anmelden. Die App könne so etwas wie Facebook fürs Autos werden, mit Möglichkeiten wie Flirten via Nummernschild, wirbt Strößenreuther.

Die App-Entwickler haben mit ihrem Anliegen, die Radwege von Falschparkern zu räumen, grundsätzlich recht. Ich ärgere mich seit mehr als 20 Jahren über Falschparker auf Radwegen. Ende der Achtziger haben wir ihnen in Köln „Parke nicht auf unseren Wegen“-Spuckis auf die Windschutzscheibe gepappt. Diese Aufkleber, die mit ihren vorgummierten Rückseiten nach dem Briefmarken-Prinzip funktionieren, gingen ziemlich schlecht ab. Ob das geholfen hat? Keine Ahnung. Es hat uns nur das Gefühl gegeben, den Radwegeblockierern etwas entgegensetzen zu können.

Aber brauchen wir die Straßensheriff-App wirklich? Wenn Radfahrer sie haben, wollen Autofahrer bestimmt auch bald eine. Schließlich gibt es genügend Pkw-Fahrer, die sich über Radler aufregen, weil sie rote Ampeln missachten. Ein Velo hat zwar kein Nummernschild, aber vielleicht hat sein Besitzer ein Foto des Rads zum Beispiel auf Fahrradjäger hochgeladen oder in einem Radforum gepostet. Eventuell haben andere Autofahrer den Rotfahrer auch schon fotografiert und sein Bild gepostet, mit Straßenkarte und Uhrzeit. Womöglich ist das ja ein Pendler. Den kann man dann sogar stellen. Auch Straßensheriff will Fotos zugeparkter Radwege posten, nebst Zeit und Standort.

Kann sein, dass diese Vorstellung übertrieben ist. Aber mich erinnert Straßensheriff an eine digitale Form von Bürgerwehren und selbsternannter Nachbarschaftswächter. Können wir dann demnächst auch für jeden angezeigten Autofahrer ein „Gefällt mir“ vergeben?  Mit so einer App wird eine Grenze überschritten. Es ist eine Sache, wenn man Menschen direkt auf ihr Fehlverhalten anspricht oder sich so ärgert, dass man denjenigen persönlich anzeigt. Aber es ist etwas anderes, wenn man jemanden wegen jeder Verfehlung per Anzeigeautomat abstraft oder gar via Social Media an den Pranger stellt. Das ist nicht modern – das ist Mittelalter.