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Mit dem Flitzbike durch den Winter

 

© Reidl
© Reidl

Meine erste Begegnung mit dem Pedelec-Bike P18 von Flitzbike verlief etwas bissig. Der Lenker des schnellen Pedelecs irritierte mich auf den ersten Metern, er ist extrem breit. Aber bevor ich über den Sinn und Zweck nachdenken konnte, rupfte etwas kräftig an meinem Bein. Meine Jeans hing fest, zwischen Riemen und Zahnkranz. Nach einer halben Umdrehung gab der Riemen die Hose wieder frei – allerdings mit feinen Bissspuren. Ein paar Ausfahrten später schnappte er noch einmal zu. Von da an krempelte ich mein Hosenbein immer hoch. Von nun an haben wir uns gut verstanden, das P18 und ich. Jedenfalls meistens.

Im Dezember stand das P18 vor meinem Schuppen, ein schnelles Flitzbike zum Langzeittest. Das heißt: zwei, drei Monate fahre ich es – bei jedem Wetter.

Nach meinen ersten Kilometern auf dem P18 zeigte sich: Der breite Lenker macht Sinn. Er verleiht dem Rad die nötige Stabilität. Mir gefällt die Geometrie des P18. Ich sitze gut auf dem Rad. Zudem ist es flink und auch bei hohen Geschwindigkeiten souverän und laufruhig.

Der GoSwissDrive-Motor im Hinterrad ist sehr präsent. Er reagiert bereits bei leichtem Pedaldruck und beschleunigt sehr dynamisch. Das Fahren macht Spaß – vor allem im Stadtverkehr. 30 bis 35 Stundenkilometer sind mit dem P18 schnell erreicht und leicht zu halten. Im Stop and Go-Verkehr der Großstadt hat man häufig einen leichten Vorsprung beziehungsweise kann gut mithalten. Um über 40 Stundenkilometer zu fahren, muss ich ordentlich in die Pedale treten und komme ins Schwitzen. Aber um im Verkehr gut mit zu fließen, reichen die 35 km/h durchaus aus.

Das P18 ist ein Pendlerfahrzeug. Für kurze Touren ist es fast etwas zu schade. Für meine übliche Fahrt nach Hamburg brauche ich mit meinem Reiserad etwa 50 Minuten. Mit dem Pedelec sind es gerade noch 30 Minuten.

Extrem leiser Motor

Das Schöne an diesem Rad ist, man hört es nicht. Es produziert nur die Windgeräusche, die jedes Fahrrad macht. Der Hinterradmotor ist extrem leise. Nach Hamburg fahre ich fast ausschließlich über Land. Manchmal überholt mich fünf Minuten lang kein Auto. Wenn ich morgens durch die Apfelplantagen radle und die Sonne langsam aufgeht, potenziert ein leiser Motor mein Fahrvergnügen immens.

Allerdings ist dieser Vorteil auch etwas tückisch. Bei manchen Pedelecs ist der Eindruck ständig präsent: Man fährt elektrisch. Das ist beim P18 nicht der Fall. Es fährt sich wie ein Fahrrad – nur eben sehr schnell.

Wie schnell, vergisst man leicht. Wer regelmäßig mit einem muskelbetriebenen Rad unterwegs ist, weiß auch ohne Blick auf den Tacho, mit welcher Geschwindigkeit er sich bei einem bestimmten Krafteinsatz und bestimmter Trittfrequenz fortbewegt. Das Unterbewusstsein hat alles gespeichert. Wenn ich auf dem Flitzbike in meinen üblichen Fahrmodus bin, fahre ich etwa 10 bis 15 Stundenkilometer schneller als auf meinem normalen Fahrrad. Man muss anfangs gerade auf Alltagsstrecken aufmerksamer unterwegs sein, um sich in Kurven oder beim Bremsen nicht zu verschätzen.

 

Wartungsarm ist der Riemen, aber das Hosenbein sollte man hochkrempeln © Reidl
Wartungsarm ist der Riemen, aber das Hosenbein sollte man hochkrempeln © Reidl

Es sind Kleinigkeit, die mich bislang an dem Pedelec stören. Etwa die kurzen Schutzbleche. Sie sind unpraktisch. Bei Regen wird die Jacke schmutzig, das passt nicht zu einem Pendlerfahrzeug. Zudem dürfen bei einem 5.700 Euro teuren Rad die Züge gerne aufgeräumt werden oder im Rad verlegt sein.

Skeptisch macht mich außerdem der Akku, der ein paar Mal ausgefallen ist. Einmal hat sich seine Steuerelektronik beim Fahren aufgehängt. Die Mechaniker von Flitzbike rieten zu einem Reset des Akkus. 30 Sekunden den Ein/Aus-Schalter am Akku drücken und der Energiespeicher vergisst alles, was ihn stört. Das hat geklappt.

Der Akku mag es lieber warm

Bei Minustemperaturen ging dann allerdings nichts mehr. 500 Meter vor dem Ziel ist der Akku ausgefallen – nach 34 Kilometern bei minus fünf Grad. Kurz zuvor hatte er noch eine Restlaufzeit von rund 115 Kilometern angegeben. Erst nach dem Aufwärmen auf Zimmertemperatur funktionierte er wieder.

„Das ist ein Steckerproblem, das unsere Zulieferer mittlerweile behoben haben“, sagt Pasquale Mennig, Leiter von Marketing und Vertrieb bei Flitzbike. Die Litzen am Displaystecker würden sich bei Kälte zusammenziehen und den Kontakt unterbrechen. Ein anderes Flitzbike mit ausgetauschten Steckern sei laut Mennig zurzeit bei minus 20 Grad im norwegischen Oslo unterwegs und habe keine Probleme.

Dieser Stecker hat laut Mennig den Motorausfall verursacht © Reidl
Dieser Stecker hat laut Mennig den Motorausfall verursacht © Reidl

Das sich die Akkuzeiten im Winter verringern, ist Pedelec-Fahrern durchaus bekannt. Bei Minustemperaturen verringert sich die Laufzeit von Lithium-Ionen-Akkus. Das trifft auch auf Kameras zu. Einige Anbieter wie Bosch verkaufen für ihre Stromspeicher deshalb Neoprenhüllen. Alle Hersteller raten dazu, Akkus im Winter bei Zimmertemperatur zu lagern, zu laden und erst unmittelbar vor Fahrtbeginn anzubringen. Das ist nicht immer möglich, wenn man unterwegs ist. Dennoch brauchen Pendler auch im Winter Akkus mit verlässlichen Reichweiten. Hier haben die Hersteller noch einige Hürden zu nehmen.

Was mir bei Flitzbike fehlt, ist ein bisschen die eigene Handschrift. Der Hersteller ist eine Radmanufaktur vom Bodensee, die ihre Räder mit feinen Komponenten ausstattet: Gates-Riemenantrieb, Pinion-Getriebe, Supernova-Scheinwerfer. Sehr schöne Räder, solide, hochwertig, je nach Modell mit kleinen Extravaganzen wie Holzfelgen und Holzschutzblechen. Hinter Flitzbike steht ein Produzent von Solaranlagen, der sich ein zweites Standbein aufbauen will. Es ist ein anderes Modell als bei anderen Fahrrad- oder Komponentenherstellern, wo oft ein innovativer Kopf oder ein passionierter Radfahrer eine besondere Idee hat: Jakob Lauhoff ist von seinen Bremsen überzeugt, der Bambusbike-Bauer Ozon von seinem exotischen Werkstoff.

Was mir bei Flitzbike noch fehlt ist ein Händlernetz. Gerade sechs Händler arbeiten in Deutschland mit Flitzbike zusammen. Das ist bei allem, was über einen Platten hinausgeht, ein echter Nachteil. Zurzeit muss der Kunde im Servicefall sein Rad in einen Karton packen und zur Reparatur an den Bodensee schicken. Service sieht anders aus.