Mein erstes Fahrrad war blau und hatte weiße Stützräder. Mir ist allerdings weniger das Fahren mit den Stützrädern in Erinnerung als das schnarrende Geräusch, das das Rad machte, wenn es von einer Seite auf die andere kippte.
Was in den Siebzigern, als ich Radfahren lernte, noch die Regel war, wird es wahrscheinlich bald nicht mehr geben. Am Donnerstag meldete der Pressedienst Fahrrad, dass Puky, Hersteller von Kinderfahrrädern, seit Anfang des Jahres Zwölf-Zoll-Kinderfahrräder serienmäßig ohne Stützräder verkauft.
Das war längst überfällig. Die Generation Laufrad braucht keine Stützräder mehr. „Wenn Kinder heute auf ihr erstes Fahrrad steigen, haben sie durch Laufrad und Roller bereits einen ausgeprägten Gleichgewichtssinn entwickelt“, sagt Guido Meitler vom Kinderfahrzeughersteller Puky in diesem Bericht.
Die Knirpse können die Balance halten und Kurven fahren. Was sie lernen müssen: pedalieren, bremsen, Entfernungen und Geschwindigkeiten einschätzen und sich im Verkehr orientieren. Dabei helfen die Stützräder aber auch nicht. Das ist ein jahrelanger Prozess, den die Eltern geduldig begleiten müssen.
Ich kann mich noch gut an das Aha-Erlebnis erinnern, als die Stützräder von meinem Rad abmontiert wurden. Meine Mutter und meine Schwester gingen mit mir in einen Park zum Üben. Ich kannte die Strecke von Spaziergängen und von früheren Fahrten mit meinem Fahrrad – bislang immer mit Stützrädern. Bis dahin war ich oft hinter ihnen her gerollt. Das Fahren war mühsam. Die Stützräder bremsten mich aus.
Das endete schlagartig, als die kleinen weißen Rädchen entfernt wurden. Plötzlich war ich schnell. Und fuhr den beiden davon. Was für eine Freiheit.
Ich höre sie noch rufen, wenn ich wie gewohnt auf all das zusteuerte, was mich interessierte. Nur rollte ich eben dieses Mal nicht mehr langsam dahin, sondern fuhr viel schneller und trat dazu noch unverdrossen in die Pedale.
„Halt an! Brems!“, riefen Mutter und Schwester laut, wenn ich interessante Objekte wie Kinderwagen ansteuerte. Das irritierte mich. Schließlich konnte ich noch nicht bremsen. Aber ausweichen. Immerhin. Gerammt habe ich an jenem Tag niemanden. Dafür lernte ich bremsen. Jedenfalls ein bisschen.
Hinter meinen Kindern musste ich nie so hinterher laufen. Die beiden sind mit dem Laufrad groß geworden und souverän aufs Rad umgestiegen. Obwohl ihr Laufrad keine Bremsen hatte, hatten die beiden den Dreh schnell raus.