Was wollte der Mann von ihm? Holzgriffe für sein Fahrrad? Klaus Mildenberger schüttelte den Kopf. Er baute seit Jahren feinste Möbel und Designstücke in seiner Manufaktur in München. Immer wieder realisierte er dort extravagante Kundenwünsche, aber Holz am Fahrrad? „Holzgriffe sind hart und werden im Wetter rissig und unansehnlich“, wimmelte Mildenberger den Kunden ab. Dieser ging schließlich, aber seine Idee hatte sich in den Gedanken des Schreiners und Designers eingenistet. In den folgenden Tagen, Wochen und Monaten drehte sich Mildenbergers Alltag zunehmend um die Frage: Wie platziert man Holzgriffe sinnvoll an einem Lenker.
Drei Jahre später, im Herbst 2013, verteilte er die ersten Holzgriffe mit dem Namen sen comfort an Testfahrer. Das Besondere: Sie federn. Mit dem ursprünglichen Wunsch seines Kunden haben sie bis auf das Material kaum noch etwas gemein.
Dabei ist die Federung ein Zufallstreffer. Anfangs sah Mildenberger in abnehmbaren Griffe die Lösung. Er versah die Holzgriffe mit einem Bajonettverschluss und probierte sie aus. „Die erste Aufhängung war relativ weich“, sagt er. Das war komfortabel. Mit einer ordentlichen Federung müsste sie ein völlig neues Fahrgefühl erzeugen, dachte der Designer.
Heute funktioniert die Federung über ein Metallelement, das im Lenker versenkt wird. Es enthält eine Federhülse, die nachgibt und so Bodenunebenheiten ausgleicht. Die Nussbaumoberfläche des sen-comfort-Griffs ist ergonomisch geformt. Obwohl es Holz ist, wirkt sie weich und erinnert eher an Handschmeichler als an Fahrradgriffe.
Das war nicht immer so. „Die ersten Griffe waren harte Knochen“, sagt Mildenberger rückblickend. Diese Erkenntnis verdankte er einem Verwandten, dem ein Fahrradladen gehört. Als ihm der Designer sein Produkt präsentierte, gefiel ihm dessen Idee – aber die Griffe waren nicht „seine Form“, wie er es nannte. Der Ladenbesitzer vermisste die Ergonomie, die mittlerweile bei Fahrradgriffen Usus ist.
Daraufhin begann Mildenberger intensiv zu feilen und anzupassen. Er untersuchte Krückengriffe von Gehstöcken und entwickelte über Monate die heutige Form der Nussbaumgriffe.
Und das Ergebnis? Anfangs war ich skeptisch. Ich habe durchaus ein Faible für Schnickschnack am Fahrrad. Aber Holzgriffe für ein Alltagsrad, das bei Regen und im Winter vorm Büro steht? Dafür fand ich 199 Euro überdimensioniert. Das passt eher zum Sonntagsfahrrad, mit dem man bei Sonnenschein zur Eisdiele radelt.
Die Montage der Testgriffe war ernüchternd. Kaum angefangen, konnte ich auch schon wieder aufhören: Der Innendurchmesser meines Lenkers war zu schmal. Das Problem kennt Mildenberger. „Die Außendurchmesser von Fahrradlenkern sind genormt mit 22,3 Millimetern“, sagt er, „die Innendurchmesser nicht.“ Dementsprechend unterschiedlich sind sie. Die Metallhülse für Mildenbergers Griffe benötigt im Innenrohr 18 bis 20 Millimeter.
Vorsorglich hatte Mildenberger mir einen passenden Lenker mitgeschickt. Dort war die Federhülse bereits montiert. Das ersparte mir die Montage, und ich musste die Griffe nur noch festschrauben.
Luxus mit angenehmer Haptik
In den kommenden Wochen stellte ich mein Rad bewusst in den Regen oder ließ es über Nacht bei Kälte draußen stehen. Die Holzgriffe stört das wenig. Die Kombination aus feinstem Schleifen, mehrmaligem Wässern und 24-stündigem Naturölbad mache sie wetterbeständig, sagt ihr Erfinder.
Was spürbar ist: Jede Fahrt poliert die Griffe. Mildenberger vergleicht sie beispielsweise mit den Holzhandläufen von Aussichtstürmen. Die halten Jahrzehnte und sind glatt poliert durch die täglichen Berührungen unzähliger Gäste. Das erwartet er auch von seinen Griffen.
Obwohl es eigentlich noch zu kalt war, fuhr ich häufig ohne Handschuhe. Zum einen weil die Griffe eine angenehme Haptik haben, zum anderen weil die Handinnenflächen auf dem Holz schnell warm werden. Das ist komfortabel.
Wie auch die gefederten Griffe. Ich kann mir schwer vorstellen, dass sie wirklich eine Federgabel ersetzen, wie einer von Mildenbergers Testfahrern auf der Website schreibt. Aber auf unebenen Straßen oder dem Kopfsteinpflaster dämpfen sie spürbar.
Die Griffe sind Luxus, ganz klar. Aber einer, der den Komfort steigert und auf den ich jedes Mal aufmerksam werde, wenn ich aufs Rad steige. Denn im Gegensatz zu meinen ergonomischen Griffen, die ihren Zweck erfüllen, nehme ich die Holzgriffe überhaupt erst wahr. Aus einem Grund: weil sie sich gut anfühlen.