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Radfahren macht glücklich

 

Neun Gründe, die Sie vom Radfahren abhalten”, hieß es neulich auf Wirtschaftswoche Green. Die Wissenschaftlerin Sophia Becker erklärte in dem Text sehr rational, wie man Ausreden beseitigt, die einen vom Radfahren abhalten. Haupttriebkraft sei der Wunsch, „mehr Gutes für uns und die Umwelt zu tun“. Ich bezweifle, dass dieses lobenswerte, aber eben auch sehr nüchterne Argument Menschen wirklich aufs Rad zieht.

Einfach, schnell und bequem muss Radfahren sein, dann setzen sich die Menschen auf Fahrrad. Das ist das Credo, das Kopenhagens Fahrradbotschafter Mikael Colville-Andersen seit Jahren verbreitet. Inzwischen ist die dänische Hauptstadt so etwas wie ein Gradmesser für das Must-have an Radinfrastruktur in lebenswerten Metropolen.

Ein wichtiger Grund für den Umstieg liegt aber nicht in der Infrastruktur oder der Technik, sondern in uns selbst. Denn Radfahren macht glücklich.

Zugegeben, nicht immer sofort. Morgens brauche ich eine Weile, bevor ich im Sattel richtig wach werde. Da können die ersten Meter schon mal quälend sein. Man fragt sich dann, warum die Beine eigentlich so schwer sind, obwohl man am Vorabend keinen Wein getrunken hat. Aber kurze Zeit später, wenn der Puls langsam Fahrt aufnimmt und die Beine ihren Rhythmus gefunden haben, ist das vergessen. Dann fährt es sich leicht, und ich komme wach und gut gelaunt im Büro an.

Außerdem hilft Radfahren beim Denken. Jeder kennt das: Beim Laufen oder Radfahren kommt einem eine gute Idee oder plötzlich die Lösung für ein verzwicktes Problem in den Sinn. „In Bewegung ist die Gehirnaktivität viel höher als in Ruhe“, erklärt Sportmediziner Achim Schmidt von der Sporthochschule in Köln dieses Phänomen.

Aber Radfahren aktiviert nicht nur die Gehirnaktivität. Es hilft auch Abstand zu gewinnen. Nach einem Streit, einem langen Arbeitstag oder vielen Stunden auf einer schönen Feier ist es immer wieder eine Wohltat, mit dem Rad nach Hause zu fahren. Ob man beflügelt in die Pedale tritt, sich den Ärger von der Seele fährt oder einfach langsam dahingleitet und die frische Luft genießt, ist gleichgültig – es geht einem gut, wenn man vom Rad steigt.

Eine nette Begleiterscheinung: Man nimmt seine Umgebung besser wahr. Während man in der U-Bahn ohne etwas zu sehen von einem Ende der Stadt zum anderen kutschiert wird, sieht man mit dem Rad jede Veränderung der Stadt. Momentan riecht es an allen Ecken nach Frühling. Man spürt den Wind im Gesicht und die Wärme an den Beinen, das steigert das allgemeine Wohlbefinden.

Radfahren ist emotional, Radfahren ist haptisch, Radfahren ist ein Befindlichkeitsmesser – und es macht vor allem Spaß. Und das ist letztlich der einzige Punkt, der Menschen dazu bewegt, das Auto stehen zu lassen und aufs Rad zu steigen. Wer Radfahren hasst, wird nicht damit beginnen, nur um damit die Umwelt zu schonen.