Vor einiger Zeit hatte sich ein Leser unserer Radrecht-Reihe einen Beitrag über die Vorfahrtsregeln im Kreisverkehr gewünscht. Eigentlich kurios, dass eine Straße, sobald sie im Kreis geführt wird, zu Verwirrungen führt. Aber der Leser hat recht, ein genauer Blick lohnt sich.
Teil 7: Radfahrer haben im echten Kreisverkehr Vorfahrt
§ 8 Abs. 1a StVO: Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt.
In Deutschland erleben die Kreisel gerade eine Renaissance. In anderen Ländern sind sie schon seit Jahrzehnten vielerorts viel verbreiteter. Als ich kürzlich in den Niederlanden auf Durchreise war, hatte ich das Gefühl, ein Kreisverkehr reihe sich an den anderen. Ich fand das sehr angenehm. Zum einen fließt der Verkehr besser, zum anderen ist die Geschwindigkeit im Kreisverkehr relativ gering. Wenn man sich nicht auskennt, wie ich in diesem Fall, kann man problemlos eine Extrarunde drehen. Stressfreier unterwegs sein geht kaum.
Zunächst aber: Nicht jede „runde Straße“ ist ein Kreisel! Ein echter Kreisverkehr hat eine Mittelinsel. Hat dieser die oben gezeigten Verkehrsschilder, dann hat derjenige Vorfahrt, der im Kreisverkehr fährt – und zwar Radfahrer ebenso wie Autofahrer. Einfahrende Verkehrsteilnehmer müssen warten. Fehlt das Zeichen „Vorfahrt gewähren“, handelt es sich hingegen lediglich um einen kreisförmigen Knotenpunkt. Dort gilt die Rechts-vor-links-Regelung.
Experten empfehlen den Kreisverkehr, weil er konfliktärmer sein soll. Während eine normale Kreuzung ohne Ampel 32 Konfliktpunkte aufweist, gibt es bei einem Kreisverkehr nur acht (zu sehen in diesem Flyer der Stadt Köln). Außerdem geht man davon aus, dass Verkehrsteilnehmer im Kreisverkehr aufmerksamer unterwegs sind als an einer Ampelkreuzung. Dort beschränke sich die Aufmerksamkeit häufig nur auf die Lichtsignale.
Stephanie Krone, Pressesprecherin vom ADFC, lobt die Kreisel ebenfalls: Radfahrer profitierten von den erwähnten Vorteilen der Verkehrsanlage, und außerdem sei ein Kreisverkehr fast immer übersichtlicher und dadurch sicherer.
Allerdings scheint ein neben dem Kreisel verlaufender Radweg viele Autofahrer zu verunsichern. Was ist, wenn der Autofahrer den Kreisverkehr verlassen möchte, auf dem Radweg daneben ein Radfahrer aber weiter im Kreis fahren will? Die Regel ist einfach: Der kreuzende Radfahrer hat Vorfahrt. Aber Vorsicht: Quert der Radweg erst mehr als fünf Meter vom Kreisel entfernt die Fahrbahn, dann gilt er nicht mehr als begleitender Radweg. In dem Fall haben Auto- und Radfahrer auf der Fahrbahn Vorfahrt. Wer kreuzt, muss warten. Allerdings sollten in keinem der beiden Fälle die Beteiligten auf ihr Recht pochen, sondern immer Rücksicht aufeinander nehmen und an diesen Stellen besonders achtsam sein.
Auch Stephanie Krone vom ADFC sieht, dass Radfahrer im Kreisverkehr oft unsicher sind. Der Knackpunkt sei allerdings nicht die Verkehrsanlage an sich, sondern dass die Städte und Kommunen die Verkehrsführung immer wieder unterschiedlich regeln. In vielen Orten werde die normalerweise existierende Vorfahrt der Radfahrer im Kreisel oder auf dem begleitenden Radweg durch eine andere Beschilderung aufgehoben. Dieses Regelwirrwarr führe immer wieder zu gefährlichen Missverständnissen, kritisiert Krone.
Wenn ich von einem begleitenden Radweg auf die Straße wechsele, achte ich immer sehr genau auf die Autofahrer: Hat mich der Fahrer gesehen? Sieht er mich noch? Oder hat er mich schon wieder vergessen? Blickkontakt aufnehmen, sich auch per Handzeichen zu bedanken oder bremsen, wenn man das Gefühl hat, man wurde nicht wahrgenommen, dieses Verhalten bringe ich auch meinen Kindern bei. Denn hier hat ein unachtsamer Moment schnell schlimme Folgen.
Teil 1 der Serie: Radfahrer dürfen Autoschlangen rechts überholen
Teil 2: Radfahrer zu Gast auf dem Gehweg
Teil 3: Der Plausch beim Nebeneinanderfahren
Teil 4: Unterwegs mit Musik im Ohr
Teil 5: Rad- und Autofahrer teilen sich die Fahrbahn
Teil 6: Geisterradler unerwünscht