Die Fahrradwege in Deutschlands Großstädten sind bestenfalls mittelmäßig. In den mittelgroßen Städten schafft es gerade mal eine Hand voll Kommunen auf die Schulnote „gut“. Das ist das Ergebnis des Fahrradklima-Tests 2014, das der ADFC heute gemeinsam mit dem Bundesverkehrsministerium veröffentlicht hat. Die Mehrheit der Radfahrer in Deutschland stellt den Politikern in ihren Städten und Kommunen ein schlechtes Zeugnis aus.
Rund 100.000 Radfahrer haben im vergangenen Herbst den Fragebogen ausgefüllt. 75 Prozent von ihnen sind Alltagsradler, die regelmäßig mit dem Rad unterwegs sind. Sie haben das Radfahren in ihren Städten durchschnittlich mit einer Vier benotet. Das ist schlecht – als Abiturnote kommt man damit nicht weit.
Wie schon im Klimatest von 2012 führen Münster, Karlsruhe und Freiburg im Breisgau die Liste bei den Großstädten an. Aber so richtig stolz kann eigentlich selbst Münster nicht sein. Eine 2,5 ist als Schulnote gerade mal eine Drei. Für Deutschlands Fahrradstadt ist das ein mageres Ergebnis. Schon Bremen erreicht auf Platz fünf nur noch eine 3,5 – ein Ausreichend.
Das schaffen auch Berlin, Köln und Hamburg, die drei liegen damit im Durchschnitt. Mit mangelhaft bewerteten die Radfahrer in Hamburg unter anderem die Breite der Radwege, ihre Oberfläche und die Reinigung. Was besonders ärgerlich ist: Der schlechte Zustand wurde bereits im vergangenen Klimatest von den Teilnehmern kritisiert und mit Fünf bewertet. Die Maßnahmen, um den Zustand der Wege zu verbessern, waren – falls vorhanden – offenbar so zaghaft, dass die Radfahrer sie nicht wahrgenommen haben. Die Politiker in der Hansestadt stört das offenbar wenig.
Bei den politischen Entscheidern scheint nicht angekommen zu sein, dass Radverkehr und die Infrastruktur dafür von Bedeutung sind. Radwege werden vielerorts weiterhin stark vernachlässigt. Ein Bericht im Tagesspiegel Anfang der Woche zeigte das für Berlin noch mal deutlich. Bereits vor zwei Jahren hatte der Senat den Berliner Radfahrern viele Verbesserungen versprochen. 80 Maßnahmen wurden damals in einer neuen Radstrategie festgelegt. Umgesetzt wurde davon so gut wie nichts, wie der Senat nun selbst einräumen musste. Geplante Modellprojekte wurden verschoben. Falschparker-Schwerpunkte werden weiterhin geduldet, obwohl der ADFC sie auf Wunsch des Senats extra identifiziert hat. Auch auf die Ankündigung, den „Fokus auf die Schaffung neuer Fahrradwege und -streifen“ zu legen, hat der Berliner Senat keine Taten folgen lassen.
Was nützt ein Radverkehrsplan, der nicht umgesetzt wird?
Allerdings gibt es durchaus Städte, die sich im Vergleich zum letzten Fahrradklima-Test 2012 verbessert haben: Ausgezeichnet werden Wuppertal, Augsburg, Stuttgart, Göttingen, Heilbronn, Trier, Schwerin, Iserlohn, Norderstedt, Heiligenhaus, Eschborn und Ilmenau. Wuppertal beispielsweise hat mit seiner neuen Nordbahntrasse über 23 Kilometer nun einen ebenen Rad- und Fußweg quer durch das Stadtgebiet. Trier hatte nach dem schlechten Abschneiden im zurückliegenden Test ein Förderprogramm für den Radverkehr aufgelegt, an dem auch die Bürger beteiligt wurden, wie Burkhard Stork, Geschäftsführer des ADFC-Bundesverbandes berichtet. „Die Stadt hat sich auf den Weg gemacht“, sagt er.
Genau das ist der Knackpunkt. Wenn die Alltagsfahrer wie jetzt im Fahrradklima-Test in der großen Mehrheit bekunden, dass sie sich nicht sicher fühlen, dann muss die Politik reagieren. „Eine sichere, bedarfsgerechte und komfortable Radverkehrsinfrastruktur ist die wichtigste Grundlage für die Förderung des Radverkehrs“, heißt es schon im Nationalen Radverkehrsplan 2020. In diesem Plan schrieb die Bundesregierung 2012 auch fest, dass der Anteil der Radfahrer in den Städten und Kommunen gesteigert werden soll. Wer sich jedoch auf Radweg oder Straße unsicher fühlt, fährt nicht.
Schaut man sich in Europa um, gibt es viele Städte, die „Aufholer“ sind, wie der ADFC sie nennt: Kommunen, die ihre Angebote für Radfahrer in einem überschaubaren Zeitraum sehr verbessert haben. Stork nennt als Beispiele Barcelona, Sevilla, Paris und weitere Städte in Frankreich sowie in Österreich. Diese Städte und Länder haben zwar keine perfekte Infrastruktur, aber sie zeigen, dass sie im Gegensatz zu Deutschland das Problem erkannt haben und ihren öffentlichen Raum mit massiven Maßnahmen fahrradfreundlicher gestalten wollen.
Deutschland hat einen Nationalen Radverkehrsplan, der im Ausland oft gelobt wird. Doch solange die Notwendigkeit, ihn umzusetzen, im Denken der Politiker nicht angekommen ist und die Fahrrad-Infrastruktur nicht sichtbar und erfahrbar verbessert wird, ist der Plan nutzlos.
Die Autorin ist Mitglied des Beirats zum Nationalen Radverkehrsplan.