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Investoren zeigen wenig Interesse an Bike-Start-ups

 

Die Geldgeber waren eindeutig in der Unterzahl beim ersten Berlin Bicycle Congress in der Station, einem dieser Orte, die man neudeutsch Event-Location nennt. Gerade mal drei potenzielle Investoren waren in Kreuzberg unter den rund 80 Besuchern, die beim Pitching-Wettbewerb erstmals „Germany’s next Bike-Start-up“ wählen sollten. Dabei wollte der Veranstalter Heinrich Strößenreuther eigentlich Kapitalgeber und Fahrrad-Start-ups vernetzen. Das hat zwar noch nicht geklappt, aber der Abend hat gezeigt: Der Bedarf ist da.

Mehr als zehn Start-ups stellten am Mittwochabend ihre Arbeit vor. Einige von ihnen – wie die Fahrradgarderobe, die Fahrradständer bei Großveranstaltungen aufstellt – sind schon im Geschäft und suchen Anschlussfinanzierungen, weil sie expandieren wollen. Das gilt auch für die Bikecitizens, die in Österreich mit einer Fahrrad-Navigation fürs Smartphone begonnen haben und nun mit Hilfe von Sensoren etwa den Abstand unterschiedlicher Fahrzeuge zueinander messen wollen.

Am sogenannten Pitching-Wettbewerb machten fünf Start-ups mit: Ozon Cyclery mit einem Bambusrahmen-Selbstbau-Set; das Team von Carla Cargo, das einen Lastenfahrrad-Anhänger entwickelt hat, der bis zu 250 Kilogramm trägt und mit einer eigenen Bremse und E-Motor-Unterstützung ausgestattet ist; Grund Handicaps, die sich auf den Umbau von Fahrrädern für Menschen mit körperlichen Einschränkungen spezialisiert haben, und Hangload, ein System aus Griff und Gepäckträgerhalterung, um normale Taschen einfach und dreckgeschützt zu transportieren. Sie alle brauchen noch Geld, um ihre Pläne umzusetzen.

Der Bicycle Congress sollte den jungen Unternehmern eine Plattform bieten. Mit der Idee, Investoren und Gründer zusammenzubringen, stößt Strößenreuther offensichtlich in eine Lücke. Denn die Start-up-Szene in Deutschland hat Nachholbedarf. Dieser Artikel bei FAZ-Job.net vom November 2014 hat die Mankos deutlich aufgezeigt: Es wird zu wenig gegründet, es gibt zu wenige Business Angels, den Gründern fehlt die Qualifikation, Unis bereiten ihre Absolventen unzureichend vor. Und überhaupt fehlen Netzwerke und die entscheidenden Kontakte.

Einige dieser Punkte spiegelte der Abend in der Station wider. Es war kein Vertreter von etablierten Unternehmen der Fahrradbranche vor Ort. Drei Investoren waren gekommen. Die Start-up-Szene blieb weitgehend unter sich. Dabei sah Susanne Henkel vom Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg während der Podiumsdiskussion durchaus einige Bedürfnisse, die Start-ups abdecken können. Ihr schwebt zum Beispiel eine App für Kunden vor, die zeigt, ob in der nächsten Regionalbahn noch ausreichend Stellplätze im Fahrradabteil vorhanden sind, oder auch eine Kooperation mit Angeboten wie Upperbike, einem Fahrradverleih von Privatpersonen in Städten.

Die Zahl der Start-ups in der Fahrradbranche wächst, aber meist im Stillen. Die Gründerszene ist oft zwar untereinander vernetzt, hat aber wenig Kontakte in die Institutionen. Deshalb sollten Veranstaltungen wie der Bicycle Congress von Strößenreuther eine feste Institution werden, damit die Ideen und Angebote bekannt werden.

„Das Thema Fahrrad ist in Investorenkreisen zurzeit nicht dran“, sagt Andreas Gahlert. Er hat im vergangenen Jahr für sein Start-up Cobi per Kickstarter Geld gesammelt und richtig abgeräumt. Cobi ist ein System, das Licht, Navigation, Musik und Online-Dienste am Fahrradlenker in einem Gerät vereinen soll. Über Kickstarter kamen für Cobi mehr als 400.000 Euro zusammen, rund 400 Prozent mehr als Gahlert brauchte. Die Aktion war eine der besten Kickstarter-Kampagnen für Fahrradaccessoires weltweit.

„Investoren nehmen gerne Start-ups, die ihnen empfohlen werden“, sagt Gahlert. Sein Statement kann man ernst nehmen, denn er hat viel Erfahrung mit dem Firmengründen: Mit 19 Jahren hat er sein erstes Unternehmen aufgemacht und Snowboards hergestellt. 1996 gründete er dann die Frankfurter Agentur Neue Digitale, die später in Razorfish Deutschland aufging, einer der wichtigsten und kreativsten Dienstleister für digitale Kommunikation. Gahlert kennt sich aus in den Kreisen, in denen Investoren vielversprechende Ideen für ihr Geld suchen und Gründer nach Kapital. Der Bicycle Congress ist ein guter Anfang zum Netzwerken. Laut Strößenreuther soll er keine Eintagsfliege bleiben.

Gewonnen hat an diesem Abend übrigens das Start-up Möve Bikes: Die Gründer haben einen neuen Fahrrad-Antrieb namens Cyfly entwickelt, der 50 Prozent mehr Drehmoment bieten soll als herkömmliche Antriebe. Mit dieser Idee hat Möve bereits im vergangenen Jahr den KfW-Award-Gründer Champions 2014 in Thüringen gewonnen. Jetzt bekommen die drei Gründer von Startnext eine Einführung ins Thema Crowdfunding.