Manchmal ist weniger mehr. Das haben am Wochenende die Mitglieder des Altonaer Bicycle Club (ABC) gezeigt, bei ihren ersten „Altonaer Bicycle Days“ im August-Lütgens-Park in Hamburg. Neben einer kleinen, aber feinen Auswahl an historischen Rädern gab es verschiedene Vorführungen wie Radball, Kunstradfahren oder eine Ausfahrt am Samstagabend durch Hamburg, je nach Belieben auf historischen oder neuen Rädern. Die Radsportler und Sammler wollten mit ihrer Veranstaltung jedermann ansprechen. Das ist ihnen gelungen.
Wir waren spät dran. Die Aussteller vom Flohmarkt hatten schon eingepackt, doch ein Dutzend Besucher sah sich die Räder an, die mitten im Park aufgebaut waren. Die Sammler hatten Zeit. Am Rand saß ein Mann mit grüner Melone auf einem roten Fahrrad und spielte auf seinem Akkordeon alte Gassenhauer. Erst beim Näherkommen erkannten wir, dass er mit jeder Pedalumdrehung ein kleines Karussell antrieb.
Ihm gegenüber hatten die Mitglieder vom ABC rund zwei Dutzend ihrer Lieblingsräder platziert. Viele waren Alltagsräder, wie sie vor vierzig, fünfzig Jahren auf den Straßen unterwegs waren. Wer wollte, durfte eine Runde drehen. Die wahren Schätze standen wettergeschützt im Haus des Stadtteilzentrums ein paar Schritte weiter.
Besonders beliebt war bei den Besuchern die hellblaue Rikscha. Wenn sie erstmal rollte, ging das Fahren erstaunlich leicht. Zwar erinnerte die Federung im ersten Moment an Uromas ausgeleierte Matratze, aber nach wenigen Metern hatte man sich an das Schwingen gewöhnt und rollte gemütlich durch den Park.
Im Haus war direkt am Eingang ein seltenes Mädchenrad von 1920 aufgebaut. „Kinderräder waren früher so teuer wie Erwachsenenräder und dementsprechend selten“, sagte Nico Thomas, Mitglied beim ABC. Er hat das Rad vor zwei Monaten in einer alten Scheune mit 47 anderen Fahrrädern entdeckt. Der Sammler hatte einen Tipp bekommen. Am folgenden Samstag fuhr er hin. Sein Glück, denn am Montag wanderte der komplette Inhalt der Scheune auf den Schrottplatz.
Sammler träumen von solchen Anrufen. Erst am Tag zuvor hatte ein Anwohner den ABClern eine Standarte des ehemaligen Kieler Arbeiterradsportvereins für die Ausstellung überreicht. Ihre Geschichte ist eine besondere. Dass die rote Fahne erhalten ist, sei das Verdienst des Fahrradhändlers Walter Ernst aus Kiel, berichteten die Fahrradliebhaber. Er habe das Banner, das die Solidaritäts-Insignien des Arbeiterradfahrerbundes trägt, in den 1930er Jahren in sein Sofa eingenäht. Dort habe es den Zweiten Weltkrieg und die NS-Zeit überstanden, sagte Thomas.
Außergewöhnlich ist auch das ausgestellte kleine Hochrad. Auf dem Beistelltisch wirkt es wie ein Puppenfahrrad. Aber laut ABC wurde es von Karl Schulz, dem Sohn des einst berühmten Hamburger Kunstradfahrers Richard Schulz (1868-1911) regelmäßig benutzt, wenn die beiden gemeinsam unterwegs waren. Das Kinderfoto (oben links) zeigt Karl Schulz als Kind auf dem ausgestellten Rad.
Für viele Details benötigte der Besucher eine Erklärung der Sammler, um ihren Nutzwert zu verstehen. „Die Pistole hatte den Zweck, die damals recht wilden Hofhunde zu verscheuchen“, sagte Thomas. Ebenso die meterlangen Peitschen, die oft am Lenker der Hochräder befestigt waren. Die Fußrasten am Vorderrad waren zum Ausruhen gedacht oder für Abfahrten. Da die Räder allesamt einen starren Gang besaßen, konnten die Fahrer ihre Füße dort bei schnellen Talfahrten abstellen.
Die Ausstellung war übersichtlich, aber gut zusammengestellt. Gerade das machte ihren Charme aus. Die Besucher erhielten schnell einen Einblick in die Besonderheiten des Radfahrens in verschiedenen Epochen. Außerdem wollen die Mitglieder des ABC, dass man nicht nur zwischen den Rädern umherwandert, sondern sie auch ausprobiert. Selbst im Haus war so viel Platz, dass Kinder zwischen den historischen Rädern auf dem winzigen Rad herumkurven konnten. So entspannt macht der Besuch von Ausstellungen wirklich der ganzen Familie Spaß.