Der Frankfurter Flughafen hat die Dimensionen einer Stadt. 90.000 Mitarbeiter sollen dort im Jahr 2020 arbeiten. Viele Beschäftigte wohnen in einem Umkreis von sechs bis acht Kilometern – eine ideale Entfernung, um mit dem Rad zur Arbeit zu fahren. Eigentlich. Denn Radfahrer sind rund um den Flughafen bisher nicht vorgesehen. Der Radverkehrsbeauftragte für den Regionalverband Frankfurt Rhein-Main, Georgios Kontos, will das ändern.
Die Ausgangssituation spricht für sich: Gerade mal drei Prozent der Menschen, die am Flughafen arbeiten, kommen mit dem Rad. Das wundert niemanden. Der Flughafen ist von Wald umgeben. Fünf radtaugliche Wege führen aus verschiedenen Himmelsrichtungen dorthin. Doch Wegweiser fehlen, und im Winter, wenn es früh dunkel wird, schneit oder viel regnet, sind einige der Strecken für Radeinsteiger eine echte Herausforderung.
Radfahrer müssen die Strecken durch den Wald also kennen, ebenso die Schleichwege rund um den Flughafen. Einen akzeptablen direkten Weg gibt es nicht. Außerdem fehlt am Airport Infrastruktur in Form von Radwegen und Abstellanlagen. Zum Teil müssen die Mitarbeiter weite Umwege fahren, um ein paar Ampeln zu passieren. Dagegen ist die Anreise mit Auto, Bus, Bahn und S-Bahn ein Kinderspiel.
Georgios Kontos, seit 2013 Radverkehrsbeauftragter für den Regionalverband Frankfurt Rhein-Main, lud kurz nach seinem Arbeitsantritt alle Entscheidungsträger ein, die für das Thema Flughafen und Radverkehr wichtig sind. Seine Idee, den Radverkehrsanteil von drei auf zehn Prozent zu erhöhen, überzeugte die Anwesenden.
Denn Kontos Argumente sind für Unternehmer attraktiv. Das beginnt mit dem Parkplatzangebot. Laut Kontos stellt allein die Flughafengesellschaft Fraport jedem ihrer rund 20.000 Mitarbeiter einen Parkplatz zur Verfügung. Doch Platz ist ein kostbares und teures Gut am Flughafen. Ein Teil könnte durch dezentrale Fahrradstellplätze ersetzt werden. Bei Kontos Ziel von zehn Prozent Radfahrern könnten theoretisch 2.000 Parkplätze überflüssig werden.
Auch für die Arbeitnehmer ist das interessant, denn von einigen Parkplätzen müssen die Autofahrer 20 bis 25 Minuten zu ihrem Arbeitsplatz laufen. Dabei wohnen allein von den Fraport-Angestellten laut Kontos zehn bis 15 Prozent in der Radfahrreichweite von sechs bis acht Kilometern. Für sie wäre eine vernünftige Infrastruktur ein echter Anreiz, um aufs Rad zu steigen. Allein die Zeitersparnis wäre attraktiv.
Mehr Radfahrer würden zudem die Verkehrssituation am Flughafen entlasten. Dort wird in den kommenden Jahren viel los sein. Zurzeit arbeiten 68.000 Menschen am Flughafen in verschiedenen Bereichen wie Gastronomie, Verwaltung, Einzelhandel. Mit dem Bau des neuen Terminals und des neuen Stadtteils Gateway Gardens in Sichtweite des Flughafens wird sich die Anzahl der Beschäftigten auf 90.000 erhöhen.
Gateway Gardens befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen US-amerikanischen Militärsiedlung. Es soll eine der größten Airport-Citys Europas werden. Wohnen kann man dort nicht, das verhindert der Fluglärm. Aber arbeiten soll man dort. 4.000 Menschen sind es bereits, 18.000 sollen es bald sein. Die S-Bahnhaltestelle ist bereits beschlossen. Aber auch in diesem Stadtteil fehlt die Infrastruktur für Radfahrer.
„Wir fangen bei Null an“, sagt Kontos. Das gilt für die Strecken zum Flughafen, das gesamte Gelände des Flughafens und Gateway Gardens. Dort gibt es seit einiger Zeit zwar ein Fahrradverleihsystem mit 30 Rädern. Aber: „Viel zu wenig, das muss ausgebaut werden“, findet Kontos. Ebenso fehlen Stellplätze und Radwege. Die Fußwege seien sehr breit, die Radwege habe man einfach vergessen. Da sind die Gebäudeplaner weiter. Sie haben Duschen und entsprechende Räume für Radfahrer eingeplant.
Kontos‘ Vorhaben hat immense Ausmaße. Aber er hat ebenso kompetente wie patente Mitstreiter. Fraport ist dabei, ebenso die Projektentwicklungsgesellschaft von Gateway Gardens, der Regionalverband Frankfurt Rhein-Main, das Frankfurter Radfahrbüro, die Landesbehörde Hessen mobil und der ADFC. Sie alle verfolgen einen Plan: den Radanteil unter den Beschäftigten zu erhöhen.
Die ersten Masterarbeiten wurden bereits vergeben, unter anderem zu dezentralem Fahrradparken am Flughafen und zu Radschnellwegen zum Airport. Die Arbeitsgruppe startet nun mit Gateway Gardens. Dort soll ein Bike-to-Business-Projekt initiiert werden, in das möglichst alle dort ansässige Firmen eingebunden werden.
Das Ziel ist es, angemessene Radwege und Abstellanlagen zu installieren, die in den modernen Stadtteil passen und den Ansprüchen der Radfahrer entsprechen. Denn von den aktuellen Radfahrern kommen laut Kontos bereits einige auf E-Bikes zum Flughafen. Geplant ist außerdem eine Fahrradwerkstatt und drei Radstrecken, die aus den umliegenden Städten in den neuen Stadtteil führen. Es sei wichtig, das Angebot jetzt zu schaffen, sagt Kontos, damit die zukünftigen Arbeitnehmer es sofort nutzen könnten und die Beschäftigten nicht erst zum Umsteigen animiert werden müssten.
Kontos und der Arbeitskreis haben viel vor. Doch anscheinend sehen alle Verantwortlichen hier großes Potenzial für Radverkehr und sind bereit, gemeinsam das Problem der Infrastruktur zu lösen. Man darf also die einzelnen Etappen gespannt verfolgen – zumal das Rhein-Main-Gebiet Pionier ist: Heute passen Flughafen und Radverkehr noch nicht zusammen, Frankfurt will das für seine Mitarbeiter zügig ändern.
Gestern hat die Arbeitsgemeinschaft übrigens eine überarbeitete Karte herausgegeben, die die wichtigsten Zufahrten für Radfahrer zum Flughafen aufzeigt. Man bekommt sie unter anderem per Mail hier beim ADFC Frankfurt.