Es hat geregnet wie aus Eimern – und doch kamen einige Leute am Sonntagnachmittag mit dem Rad zum Musikfest Breminale am Ufer der Weser. Doch für geschmückte Räder und Kostbarkeiten war das Wetter anscheinend selbst den Bremern zu schlecht: Der Wettbewerb „Wer hat das schickste, charmanteste und schönste Fahrrad“, den der ADFC Bremen beim Fahrradfestival organisierte, war sehr spartanisch besucht.
Gerade mal eine Handvoll Radfahrer stand am Nachmittag mit ihren Lieblingsrädern vor der ADFC-Bühne. Als der Moderator zum Mikrofon griff, passierte erst mal – nichts. Der Strom war weg auf der Partymeile. Das passte im Grunde ganz gut. Vor der Bühne waren vier Lastenräder aufgebaut, die mit stromerzeugenden Elektromotoren versehen waren. Als Freiwillige aufsaßen und locker in die Pedale traten, floss ausreichend Strom für den Sprecher. Die Fahrräder hatte Bob Giddens aufgebaut, Musiker und Veranstalter des Artland Bicycle Music Festivals. Dort wird der Strom für Boxen und Musiktechnik mit reiner Pedalkraft erzeugt.
Michael Schweers war mit zwei Rädern für die Kategorie „schönstes Fahrrad“ angetreten. Sein Wanderer aus den 1930er Jahren hatte er mit seinem Vater in den achtziger Jahren vom Sperrmüll geholt. Damals war er gerade mal elf Jahre alt. Seitdem ist er Fahrradschrauber – sein Vater, ein Liebhaber und Perfektionist, hat ihm das beigebracht, sagte Schweers. Das Wanderer-Zeichen am Kettenkasten hat er selbst aus einem Stück Metall herausgefeilt. Der Unterschied ist für Laien nicht sichtbar.
In der Rahmentasche aus Leder hat Schweers stilecht Flickzeug aus den 1930er Jahren verstaut. Die Schaltung und die Trommelbremse sind aus den sechziger Jahren. „90 Prozent der Teile an dem Rad stammen vom Sperrmüll“, sagt Schweers. Das sieht man dem Gefährt nicht an – im Gegenteil. Der kleine Totenkopf auf der Ventilkappe und der Würfel am Vorbau sind allerdings nicht Original sondern Schweers‘ Handschrift.
Der Bremer hat acht Fahrräder, die er oft fährt. Insbesondere seit er und seine Frau ihr Auto vor drei Jahren verkauft haben.
Ein weiterer Teilnehmer war Ewald Boekholt. Er hat sein Tourenrad – ein echtes Rixe aus Bielefeld – nur ausnahmsweise hervorgeholt. Eigentlich ist es sein Schönwetter-Fahrrad.
Boekholt hat es nach seinen Vorstellungen umgemodelt. Das hintere Schutzblech hat er verkleinert und das vordere gleich ganz weggelassen, um Gewicht zu sparen. Bei Regen bekommt er jetzt schmutzige Hosen. Auch den unbehandelten Holzgriffen tut der Regen an diesem Tag nicht gut. „Sie müssen behandelt werden, wenn sie wieder trocken sind“, sagt Boekholt. Die Stempelbremse am Rad ist eher Dekoration, ebenso die Carbid-Lampe, die vor allem schön aussieht.
Henry Pleep kam auf seinem grünen Dreirad recht rustikal daher. Das Liegerad hat fünf Gänge. „Damit kann man gut am Fluss entlang fahren, noch besser geht es bergab“, sagte Pleep und grinste breit. Für ihn gilt beim Radfahren: „Drauf setzen und chillen.“ – „Es passt auch gut zu dir“, kommentierte der Moderator. Mit seinem Rad gewann Pleep den ersten Preis.
Das Wetter trübte die Laune auf dem Fahrradfestival ein wenig. Zeitweise war es extrem schlecht besucht. Doch sobald der Regen etwas nachließ, blieben die Besucher an den vielen Ständen stehen und machten Probefahrten. Dafür boten der Kinderfahrrad- und Erwachsenen-Roller-Parcours ebenso Möglichkeiten wie die verschiedenen Anbieter von Lasten- und Liegerädern. Trotz des feuchten Wetters hat sich gezeigt: Bremen ist eine Fahrradstadt.
Als ich in den neunziger Jahren dort studierte, war es selbstverständlich, dass der damalige Bürgermeister Henning Scherf mit seinem Fahrrad durch die Stadt fuhr. Auch Carsten Sieling, seit wenigen Tagen Bürgermeister der Hansestadt, ist laut ADFC-Sprecher Klaus Peter Land regelmäßig mit dem Rad in der Stadt unterwegs. Das wirkt sich aus auf die Planung der Radinfrastruktur. Sie kommt im Denken der Politiker vor – sie wird nicht vergessen oder als Randerscheinung betrachtet. Natürlich gibt es auch in Bremen viel zu tun: So sind beispielsweise die Radwege vielerorts zu schmal und müssen erweitert oder ausgebessert werden. Aber Bremen hat eine solides Fundament an Radinfrastruktur, das gut verbessert und ausgebaut werden kann. Der Anteil der Radfahrer im Verkehr der Hansestadt liegt bei 25 Prozent. Radfahren hat Tradition in Bremen, ist für alle selbstverständlich. Diesen Status müssen sich viele Städte erst noch erarbeiten.