Mit kleinen Kindern auf Radreise zu gehen ist einfacher, als viele denken. Wichtig sind ein kürzerer Testlauf vorab – außerdem sollte man stets die richtige Motivation für alle finden. Gerade hier gilt allerdings: Perfekt ist niemand, Radreisen leben von Überraschungen.
Unsere erste echte Radtour mit zwei Kindern war ein Heimspiel mit einer Übernachtung. Morgens fuhren wir bei Sonnenschein und Temperaturen über 20 Grad durchs Alte Land gen Elbe. Über die schmalen Deichstraßen und durch die Apfelplantagen konnte unser Sohn, damals sechs Jahre alt und sattelfest, entspannt auf der Straße fahren. Fußgängerwege gibt es dort keine, auch keine eingezeichnete Mittellinie. Und wer dort Auto fährt, fährt in der Regel langsam. Nach rund 16 Kilometern hatten wir den Fähranleger an der Elbe erreicht. Zwischendurch gab es bereits einige Trinkstopps und etwas Schiebehilfe vom Papa – aber wer mit Kindern reist, sollte immer Zeit einplanen.
Beim Fähranleger halfen uns Passagiere beim Einsteigen. Wenn man mit kleinen Kindern unterwegs ist, ist die Hilfsbereitschaft der Menschen groß – an der Bushaltestelle ebenso wie auf dem Bahnhof. Das macht diese Art zu Reisen mit Rad entspannt.
Mit der Fähre setzten wir auf die andere Elbseite über, dann ging es weiter. Natürlich gab es viele gute Gründe anzuhalten: schon bei den ersten Schafen, die auf dem Deich grasten, dann an einer besonders schönen Bank. Am Sandstrand wurde geplantscht und gebuddelt, und irgendwer hatte immer Durst oder Hunger – oder etwas gesehen, das angeschaut werden musste. Bei Kilometer 40 erreichten wir abends das Hotel. Unseren Sohn haben wir an diesem Tag tatsächlich müde gefahren – das haben wir danach nie wieder geschafft.
Unsere Tochter war damals drei Jahre alt und hatte einen perfekten Tag. Alle waren zusammen, sie hielt ihren Mittagsschlaf in ihrem roten Fahrradanhänger, inmitten von Kuscheltieren, Kuscheltüchern, Malsachen und Büchern. Wenn sie nicht schlief, saß sie zufrieden inmitten ihrer Schätze und spielte selbstvergessen oder tobte beim Halt barfuß durch den Sand oder über die Wiesen.
Interessante Stopps animieren zum Weiterfahren
Zwei Jahre später fuhren wir drei Wochen von Travemünde nach Rügen den Ostseeküsten-Radweg entlang – mit Zelt und Rad und den beiden Kindern. Damals hatten wir Glück, das Wetter war mediterran. Oft war es fast zu heiß zum Radfahren. Aber da wir die ganze Zeit das Meer sehen konnten, legten wir an besonders schönen Stellen Badepausen ein – den Beutel mit den Schwimmsachen hatten wir stets griffbereit im Fahrradanhänger.
Die Strecke bot den Kindern einige Highlights: eine tolle Badebucht, ein Pferdehof, eine Bootstour, ein Bernsteinmuseum, eine Zugfahrt mit einer Dampflok und viele andere Dinge. Unterwegs hielten wir an unzähligen Spielplätzen, Brunnen und Eisdielen.
Gerade wenn kleine Kinder auch im Alltag viel mit dem Rad unterwegs sind, ist es leicht, mit ihnen auf Tour zu sein – sofern das Wetter mitmacht. Als wir einmal den Oder-Neiße-Radweg von Zittau Richtung Ostsee fuhren, brachen wir nach ein paar Tagen Dauerregen die Reise ab.
Auf der ersten Radreise hatten wir lediglich viel zu viel Gepäck dabei. Zelt und Zubehör transportierte mein Mann in einem Bob-Nachbau-Fahrradanhänger, ich zog die Tochter in ihrem Anhänger. Das Gepäckfach war voll, und ich hatte Satteltaschen und diverse andere Dinge hinten auf dem Gepäckträger geladen. Unser Sohn hatte zwei Schlafsäcke in den Satteltaschen. So fuhren wir zwischen 20 und 50 Kilometer am Tag. Manchmal blieben wir allerdings länger auf Campingplätzen als geplant: Die Kinder hatten Freundschaften geschlossen und wollten ungern nach ein oder zwei Nächten wieder aufbrechen.
Für Einsteiger finde ich den Ostsee-Radweg ideal. Er ist bis auf den ersten Streckenabschnitt von Travemünde nach Boltenhagen sehr eben. Und wer von Westen nach Osten fährt, hat in der Regel auch Rückenwind – an der Küste ein wichtiger Faktor. Flusstouren sind sicherlich ebenso gut geeignet für Einsteiger. Wichtig sind interessante Stopps für Kinder, die sie zum Weiterfahren animieren.
Organisiert aufs Rad
Wer sich noch nicht allein auf Radtour traut, kann es auch organisiert versuchen. Der Reiseanbieter Radissimo bietet Familien ein vielseitiges Angebot im In- und Ausland. Die Eltern können entscheiden, ob sie in einer Gruppe oder allein reisen. Auch Vamos bietet Radreisen für Familien an. Der Veranstalter aus Hannover schafft den Familien lediglich den sicheren Rahmen für ihre Radtour im Ausland, die Touren sind keine Gruppentouren. „Von der Idee her ist jede Familie für sich allein unterwegs“, sagt die Sprecherin. Manchmal führen die Familien auch gemeinsam, das sei dann aber eher ein Zufall.
Sämtliche Strecken werden vorab von einem Vamos-Mitarbeiter abgefahren. „Die einzelnen Tagesetappen werden detailliert beschrieben, und es gibt viele Hinweise auf Möglichkeiten für Pausen und kleine Entdeckungsreisen abseits der Strecke“, sagt die Sprecherin. Wann Zeit für eine Pause sei, entscheiden die Familien jedoch selbst.
Enttäuschungen versucht der Veranstalter möglichst zu vermeiden. So bietet er für die Reise von Bozen nach Venedig einen Shuttle-Service an. Im Notfall können Etappen auch mit dem Zug zurückgelegt werden. Die Wegestrecken sind mit 30 bis 68 Kilometern die längsten im Programm und werden auch erst für Kinder ab zwölf Jahren empfohlen.
Derart ausgeklügelte Programme geben Familien oft erst die Sicherheit, um den Spagat zu wagen zwischen aktivem Radurlaub und der Prise Abenteuer, die so eine Tour für manche Menschen darstellt.