Lastenräder können in der Stadt Autos ersetzen. Ein Kauf rechnet sich für Privat- oder Geschäftsleute allerdings oft nicht, weil die Cargobikes nur relativ selten gebraucht werden. In Bern gibt es darum jetzt das weltweit erste öffentliche Sharing-System für elektrisch betriebene Lastenräder. Ein Projekt mit Vorbildfunktion.
Seit Ende September vermietet Carvelo 18 Lastenräder in verschiedenen Stadtteilen Berns. Ein Projektpartner ist neben anderen der Touring Club Schweiz (TCS), das Schweizer Pendant des deutschen Automobilclubs ADAC. Das Ausleihverfahren ist simpel: Über die Plattform carvelo2go können sich Interessierte ein Rad stundenweise (bis zu 72 Stunden) reservieren; die Schlüssel werden bei sogenannten Hosts abgeholt. Als solche fungieren beispielsweise die Mobilitätsakademie, die das Projekt gestartet hat, der TCS, aber auch Gastronomen oder Friseure.
Dass das Konzept sich auf Hosts stützt, hat einen Grund: „E-Cargobikes wurden nicht für den Verleih gebaut“, sagt Jörg Beckmann, Direktor der Mobilitätsakademie und Initiator von Carvelo. Sie bräuchten eine intensivere Pflege als robuste Räder, die für den Verleih konstruiert werden. Die Wartungsaufgaben und auch das Laden der Akkus übernehmen die Hosts. Im Gegenzug können sie die Räder umsonst nutzen, wenn sie gerade nicht gemietet werden.
Auch für die Mitglieder des Touring Clubs sind die Elektro-Lastenräder im ersten Jahr kostenlos. Das ist ein cleverer Schachzug. „Auf diesem Weg gewinnt der TCS neue Mitglieder“, sagt Beckmann. Ansonsten kosten die Räder für die erste Stunde fünf Franken (rund 4,59 Euro), danach zwei Franken, ab der zehnten Stunde einen Franken pro Stunde.
2016 auch in Basel
Beckmann sieht den Verleih als gutes Mittel, um gerade jungen Familien in der Stadt den Kauf eines Autos zu ersparen. „Das erste oder zweite Kind ist oft der verspätete Einstieg in die Automobilität“, sagt der Verkehrsforscher. In einem E-Lastenrad sehen viele ein probates Verkehrsmittel, um ihre Alltagswege auch mit Kind zu erledigen.
Für den Carvelo-Initiator ist ein Lastenrad-Boom in den Städten eng an die Elektrifizierung des Fahrrads gekoppelt: Erst durch diese Erleichterung, die der Motor bietet, wird für viele Menschen der Einsatz des Cargobikes in ihren Alltag interessant.
Finanziert werden die Räder in Bern über die Außenwerbung an den Rädern. Große Werbepartner sind beispielsweise der Schweizer Touring Club, der öffentliche Verkehr und auch die Stadt Bern. Der TCS hat großes Interesse an Carvelo2go. Schließlich stammt das Projekt von der Mobilitätsakademie, ein vom TCS ins Leben gerufener Thinktank und somit seine 100-prozentige Tochter.
Beckmann spricht jedoch lieber vom „Think-and-do-Tank“. Denn in der Mobilitätsakademie wird nicht nur über die Zukunft der Mobilität in der Stadt geredet, sondern die Wissenschaftler werden selbst aktiv und initiieren Projekte.
Ein Beispiel ist das CaKi-Bike. In diesem Projekt können Berner Familien ein E-Lastenrad drei Monate lang kostenlos nutzen. Einzige Bedingung ist, dass man sich das Cargobike mit zwei weiteren Familien teilt.
Das Pilotprojekt carvelo2go in Bern ist nur der Auftakt – im nächsten Jahr will die Mobilitätsakademie den E-Lastenrad-Verleih auch in Basel und der französischsprachigen Schweiz starten. Ziel ist, carvelo2go mit weiteren Partnern bald national anzubieten.