Radfahren ist in. Selbst wer nicht gerne in die Pedale tritt, registriert die zunehmende Zahl an Radfahrern im Straßenverkehr. Selbstbewusst fordern sie mehr Platz auf der Straße und nerven damit gerne Verkehrsplaner. Doch derlei Verteilungskämpfe gehören schon fast zum Alltag, die meisten Menschen registrieren sie kaum. Anders ist das bei Kuratoren oder Kulturwissenschaftlern. Sie schenken dem Fahrrad in Ausstellungen inzwischen viel Aufmerksamkeit. Nach Wien, Portland, Tel Aviv und Hamburg stellt jetzt das Design Museum in London das Radfahren in den Mittelpunkt. Bis zum 30. Juni ist dort die Ausstellung Cycle Revolution zu sehen.
Für Fahrradliebhaber sind derartige Ausstellungen ein Traum. Wann sonst sieht man an einem Ort so viele unterschiedliche gut erhaltene Räder, darunter Raritäten, Kultobjekte und Siegerräder. Das ist auch in London so. Dort steht die Rennmaschine, auf der Eddy Merckx 1972 den Stundenweltrekord erzielt hat, das Siegerrad des britischen Ex-Profis Chris Boardman mit dem er 1992 die Olympiade in Barcelona gewann und natürlich das Pinarello, das Siegerrad der jüngsten Tour de France.
Diese Aufzählung kann man für andere Fahrradgattungen vom Mountainbike bis zum britischen Faltradklassiker weiterführen. In der Ausstellung wird die Kulturgeschichte des Fahrrads dargestellt. Die Kunst des Designs, die ergonomischen Finessen, das Fahrrad in seiner gesamten Entwicklungsgeschichte. Das ist für Liebhaber interessant. Damit eine Ausstellung mehr ist als ein Trendverstärker, muss sie die neue Freude am Radfahren gesellschaftlich einordnen. Dann wird sie auch für Nichtradfahrer relevant.
In der Londoner Ausstellung scheint das jedenfalls zum Teil zu passieren. Das zeigt bereits der Titel „Cycle Revolution“. Eine Revolution bezeichnet stets eine radikale Veränderung. Die zeichnet sich im Stadtverkehr zurzeit weltweit ab. Radfahrern wird mehr Platz zugebilligt. Sie werden mehr und mehr als ernsthafte Verkehrsteilnehmer wahrgenommen. Sicher, vielerorts steckt diese Entwicklung noch in den Kinderschuhen oder wird recht zögerlich voran getrieben. Aber selbst London, das nie eine Fahrradmetropole war, hat verstanden: So kann es nicht weitergehen.
In der britischen Hauptstadt fahren Autos im Schnitt gerade noch 19 km/h. Zur Hauptverkehrszeit sinkt die Geschwindigkeit nochmal auf nur noch 12 km/h. Das ist ein Witz. Da ist man man mit dem Rad bedeutend schneller unterwegs. Das ist nur einer der Gründe für das Revival der Räder in den Städten. Politiker wollen mit mehr Radverkehr die Lebensqualität erhöhen, also die Luftqualität verbessern und die Belastung aller Menschen durch Autolärm vermindern.
Natürlich wird es immer Autoverkehr in den Städten geben. Aber die autogerechte Stadt der Gegenwart hat sich längst überholt. Viele Politiker und Verkehrsplaner stimmen dem zu. Sie planen und bauen aber anders. In der Regel fehlt der politische Wille.
Aber im Grunde ist es mit der autogerechten Stadt ein bisschen wie mit dem Rauchen. Vor Sommer 2008 war es in Deutschland selbstverständlich an öffentlichen Orten wie Restaurants, Sportstätten, Schulen und Einkaufszentren zu rauchen. Für Raucher war es unvorstellbar es nicht zu tun. Heute ist es genau umgekehrt. Rauchen an öffentlichen Plätzen ist die die Ausnahme, Nichtrauchen sind die Regel. Die Zahl der Raucher sinkt.
Ähnlich wird es irgendwann mit dem Autoverkehr sein. Es wird immer Menschen geben, die mit dem Auto unterwegs sind. Aber die Zahl derer, die Rad fahren oder andere nachhaltige Verkehrsmittel benutzen wird wachsen und bedeutend größer sein als heute. Trotzdem werden die Menschen weiterhin mobil sein. Warum auch nicht. Städte wie Amsterdam oder Kopenhagen machen vor, dass es gut geht.
Hinweise auf die kleinen und großen Revolutionen im Stadtverkehr gibt die Ausstellung anhand von verschiedenen Beispielen aus der ganzen Welt. Die eben genannten Städte sind dabei, aber auch Sevilla, Montreal, Bogotá oder London.
Über Fahrradfahren kann man viel sprechen, aber eigentlich muss man es tun. Seine Vorzüge in der Stadt muss man im Wortsinne erfahren. Deshalb lohnt sich ein Besuch in der britischen Metropole im kommenden Jahr. Schließlich sollen dann die Fahrradhighways quer durch die Stadt fertig sein. Außerdem läuft die Ausstellung im Design Museum noch bis zum 30. Juni 2016. Wenn man dort ist, sollte man das nicht verpassen.