Pedelec fahren macht Spaß. Selbst eingefleischte Autofahrer radeln mit Motorunterstützung gerne zur Arbeit. Ihr Anteil am Gesamtverkehr ist zurzeit aber verschwindend gering. Was sie dazu bewegt oder daran hindert, umzusteigen, zeigen die ersten Ergebnisse des Projekts „EBikePendeln – Fahrspaß mit Rückenwind“.
Das Pilotprojekt hatte die Berliner Senatsverwaltung im Rahmen des Schaufensters Elektromobilität Berlin-Brandenburg im Sommer 2014 gestartet; es lief rund ein Jahr lang. 324 Pendler konnten für acht bis zehn Wochen Pedelecs kostenlos ausleihen. 100 Räder standen zur Verfügung. Die Projektidee war charmant: Die Berufstätigen sollten zum Umsteigen vom Auto aufs Pedelec verführt werden, die Wissenschaftler vertrauten auf den Spaßfaktor beim Fahren mit Motor.
Die Idee ging auf. Rund jeder zweite Arbeitsweg wurde in der Testphase mit dem Pedelec zurückgelegt. Eine Teilnehmerin gab an, dass sie die Kilometer, die sie mit dem Pedelec in acht Wochen gefahren sei, sonst nicht mal in einem Jahr radle. Wie ihr ging es vielen, denn die Mehrzahl der Studienteilnehmer pendelte zuvor mit dem Auto zur Arbeit. Das Pedelec hat ihr Mobilitätsverhalten massiv verändert.
Allerdings hat der Spaß beim Pedelecfahren auch für Pendler Grenzen. Die liegen beim Fahren mit Motor bei etwa 15 Kilometer. Dann sei das Reisezeitbudget erschöpft und die Pendler wollten ankommen – andernfalls nutzten sie lieber das Auto, sagt Martina Hertel vom Deutschen Institut für Urbanistik (difu), die die Studie wissenschaftlich begleitet.
Die Ergebnisse zeigen laut Hertel außerdem: „Das Pedelec eignet sich als Allwetterfahrzeug.“ Bei Sonnenschein oder bedecktem Himmel legten die Teilnehmer im Schnitt 56 Prozent all ihrer Wege mit dem Rad zurück. Bei Regen, Gewitter, Hagel oder Schnee reduziert sich dieser Anteil nicht auf null, sondern auf 31 Prozent der Wege.
Konkrete Forderungen der Teilnehmer
Ein klarer Kritikpunkt war die Infrastruktur. 89,9 Prozent der Teilnehmer forderten den Ausbau des Radwegnetzes; 89,3 Prozent verlangen sichere Abstellanlagen. Ohne die entsprechende Infrastruktur bleibt das Rad im Schuppen stehen.
Ein Beispiel: Silvia Zerbe wohnt 30 Kilometer von ihrem Arbeitsplatz entfernt. Dennoch wollte sie mit dem Elektrorad zur Arbeit fahren. Über weite Strecken konnte sie mit dem Pedelec im Schnitt mit 25 km/h unterwegs sein. Aber immer wieder wurde sie ausgebremst. „Die Infrastruktur lässt sehr zu wünschen übrig“, sagt sie. Besonders entlang der Bundesstraße 1. Auf der Straße könne man nicht fahren, das sei zu gefährlich, sagt Zerbe, und der angrenzende Radweg sei schlecht und holperig. Sie findet das schade, denn das Pedelecfahren fand sie „genial“. Statt für die Arbeitswege nutzte sie es dann für private Strecken.
Die Begleiter des Projekts haben die Infrastruktur durchaus im Blick. „Im Erprobungsgebiet werden wichtige Routen für den Radverkehr aufgewertet“, hieß es bereits in den Hintergrundinformationen zum Projekt im August 2015. Das erweckt den Anschein, dass bereits etwas gebaut wurde. Tatsächlich steht bislang jedoch nur die Planung.
Die Vorplanung durch den Berliner Senat sei aber weit fortgeschritten, betont Hermann Blümel von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt. Anfang 2016 werden die Pläne den Bezirken vorgelegt. Ob aber dann wirklich die vorgeschlagenen Schutzstreifen entstehen oder Wege für Radfahrer verbreitert werden, entscheidet jeder Bezirk.
Dienstfahrrad als Marke unbekannt
Doch selbst die schlechte Infrastruktur hat viele Fahrer nicht abgeschreckt. 75 der 100 Testräder wurden anschließend gekauft. Allerdings zeigt die Studie auch deutlich, dass die Kosten ein relevantes Thema sind: 58 Prozent der Befragten ist das E-Rad zu teuer.
Wenn Pedelecs als Pendlerfahrzeug etabliert werden sollen, muss das Konzept des Dienstfahrrads bekannter werden, findet Blümel. Denn auch hier legt die Studie offen: Das Dienstfahrrad kennt kaum jemand. Hier sieht Blümel sowohl bei Arbeitnehmern, Arbeitgebern aber auch Steuerberatern und Händlern massiven Aufklärungsbedarf.
Beim Modell des Dienstfahrrads kann ein Arbeitnehmer, der ein Fahrrad durch Gehaltsumwandlung beispielsweise über drei Jahre least, gegenüber dem Barkauf viel sparen. Die Fahrradleasing-Anbieter sprechen von Einsparungen zwischen 20 und 40 Prozent. Das ist für teure Elektrofahrräder interessant.
Abstellanlagen sind Bedingung
Allerdings müssen dann auch angemessene Abstellanlagen an S-Bahnhöfen und zentralen Stellen die Regel sein. Blümel schwebt hier ein standardisiertes modulares System vor, das ähnlich wie ein Baukastensystem funktioniert. Je nach Platzbedarf und Möglichkeiten werden die Module ergänzt.
Neben den öffentlichen Abstellanlagen sei aber auch relevant, wie leicht und barrierefrei am Wohnort der Zugang zum Pedelec ist, sagt Blümel. Im Grunde darf es nicht umständlicher sein, als das Auto zu nutzen. Sonst werde kein Pedelec angeschafft.
In etwa drei Monaten präsentiert die Senatsverwaltung die endgültigen Ergebnisse. Den aktuellen Stand bringt Martina Hertel vom difu auf den Punkt. Sie sagt: „Es ist viel passiert, aber man sieht es noch nicht.“