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Der Winter stellt uns auf die Probe

 

Bei dem Wetter radelt es sich in Hamburg am besten auf der Straße © Reidl

Seit drei Wochen ist unsere Familie in der autofreien Zeit. Eine Erkenntnis daraus ist: Ich brauche mehr Licht am Fahrradlenker. Mein Reiserad ist mit einer 40-Lux-Leuchte ausgestattet. Im Stadtverkehr reicht das völlig. Ganz anders ist das abends auf der Landstraße. Auf vielen meiner Alltagsstrecken ist es dann stockdunkel. Es gibt keine Straßenbeleuchtung, kilometerweit kein Haus und nur ab und an ein Auto, das überholt. Dafür lebt hier jede Menge Getier, das die Straße kreuzt. 

Jetzt habe ich mir eine Helmlampe zugelegt, die ich auch an den Lenker klemmen kann. Nun erkenne ich frühzeitig, was aus Wald und Moor vor mir auf die Fahrbahn springt. In der vergangenen Woche war es ein Fuchs.

Unerwartet nützlich war die neue Leuchte Freitagmorgen um sechs Uhr auf einem verschneiten Radweg. Die Mischung aus Schnee, Laub, Eis und Wegeschäden stellt auf dieser Strecke fiese Fallen. Mit dem Scheinwerfer erkennt man eher die kritischen Stellen. Mit dem Mountainbike überrollt man sie recht problemlos, mit meinem Alltagsrad möchte ich hier allerdings lieber nicht lang fahren.

Für die Kinder war das Fahren im Schnee anstrengend, anstrengender als bei Regen. Sie fragen jetzt öfter, wann wir wieder Auto fahren dürfen. Normalerweise wären wir bei dem Wetter rodeln gegangen. Zum Rodelberg kommen wir nur mit dem Wagen. Allerdings war die Kleine vergangene Woche krank, so kam ich um die Diskussion herum. Zum Arzt mussten wir glücklicherweise nicht. In der Regel sind die Radwege im Zentrum von Buxtehude überwiegend recht gut geräumt, für die Stecke hätten wir also das Lastenrad nehmen können.

Dennoch ist uns Kopenhagen hinsichtlich geräumter Radwege im Winter um einiges voraus. Dort werden Radwege im Winter meist vorrangig geräumt. In den Niederlanden wird derzeit sogar ein Konzept für beheizte Radwege im Winter diskutiert – quasi die Fußbodenheizung für die Radspur. Ein Architekturbüro hat das Modell entwickelt. Es besteht aus einem Röhrensystem, das unter dem Asphalt verlegt wird. In die Rohre wird Grundwasser gepumpt, das über Erdwärme erhitzt wird. Wie das aussehen könnte, zeigte das ZDF hier. Ob so etwas realisierbar und finanzierbar ist, sollen nun Gutachter prüfen.

Fußbodenheizung für Radwege © Screenshot ZDF Mediathek

Ob die Idee eher in die Kategorie Witz oder Vision gehört, wird sich herausstellen. Immerhin prüfen die Niederländer ungewöhnliche Radverkehrskonzepte. So weit ist Deutschland noch nicht. Statt Radfahrer zu unterstützten, wollen einige Politiker sie gern zur Kasse bitten. „CDU fordert Fahrrad-Maut für E-Bikes“, titelten vergangene Woche die Stuttgarter Nachrichten. Die Südwest-CDU habe die Maut in einem offiziellen Antrag gefordert. Das Geld solle dann in den Radwege-Etat des Landes fließen, hieß es.

Es gibt durchaus gute Gründe für eine City-Maut. Allerdings fallen mir keine für Elektroradfahrer ein. Eher für Autofahrer und dann heißen die Argumente: Stau, Abgase und Parkdruck. Aber warum sollen Fahrer von klimafreundlichen Verkehrsmitteln zahlen?

Zudem will die Bundesregierung doch die E-Mobilität steigern. Da wird gemeinhin gefördert, nicht gefordert. Und ein Blick auf die Zahlen zeigt: Deutsche kaufen und fahren Elektroräder, der Verkauf von E-Autos hinkt hinterher. Gerade mal 12.622 Hybrid-Autos und 2.154 Elektroautos wurden 2011 laut Kraftfahrt-Bundesamt zugelassen. Von den elektrifizierten Rädern wurden 300.000 gekauft, in diesem Jahr werden es noch mal rund 100.000 mehr sein.

Statt die Radler zur Kasse zu bitten, sollte das Potenzial der E-Bikes besser ausgeschöpft werden. Ein Verkehrsbetrieb aus dem Münsterland hat zu einem ungewöhnlichen Konzept gegriffen und seinen Jahreskartenkunden ein paar Dutzend Elektrofahrräder kostenlos für sechs Monate zur Verfügung gestellt. Langfristig wollen sie damit Lücken im ÖPNV-Netz schließen. Viele Mobilitäts- und Zukunftsforscher sehen das Elektrofahrrad als wichtigen Bestandteil des Modal Split.

Vor diesem Hintergrund klingt die E-Bike-Maut wie ein schlechter Witz. Aber wahrscheinlich würden die Hamburger, die an diesem Sonntagmorgen in der Hansestadt mit dem Rad unterwegs sind, sofort ihren Geldbeutel zücken, wenn dafür ihre Fahrspur geräumt würde. In der Nacht auf Sonntag hat es wieder geschneit. Die Straßen im Stadtteil Eimsbüttel sind mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. An Radfahren ist hier nicht zu denken.

Gut, dass wir unsere Räder zu Hause gelassen haben. Wir sind in Buxtehude mit dem Taxi zum Bahnhof gefahren. Eigentlich nur aus einem Grund: Wir wollten unsere Räder nicht am Bahnhof abstellen – aus Sorge vor Diebstahl und Vandalismus. Wir Erwachsene haben zwar Bahnhofsräder, aber die Kinder nicht. Es gibt sogar abschließbare Abstellplätze, aber die muss man mindestens für zwölf Monate mieten. Deshalb haben wir heute geschummelt und das Taxi genommen. Die Entscheidung fiel uns leicht, schließlich ist unsere Benzinkasse noch gut gefüllt.

Fahrradboxen am Buxtehuder Bahnhof © Reidl

Andrea Reidl und ihre Familie wollen vier Wochen ohne Auto auskommen – in einer Kleinstadt (hier stellt sie ihren Selbstversuch vor: Teil 1,  Teil 2, Teil 3). Sie bloggt regelmäßig über ihre Erfahrungen.