Lesezeichen
‹ Alle Einträge

Das Fahrrad in all seinen Spielarten

 

© Nico Jungel
© Nico Jungel

Am vergangenen Wochenende zeigte die Berliner Fahrradschau (BFS), was zurzeit an Fahrradkultur und Lifestyle hip ist. Die Veranstaltung war erfreulich überschaubar, mit einem guten Mix und unglaublich entspannt für die Besucher – selbst für Eltern. Diese hatten die Möglichkeit, ihre Kinder bei einer Betreuung unterbringen, konnten sie aber auch gut mitnehmen. Denn zu sehen und ausprobieren gab es für alle Altersklassen genug.

Bereits das riesige Lastenrad von Nico Jungel am Eingang der BFS im früheren Kreuzberger Postbahnhof war ein eindruckvoller Eyecatcher. Mit seinen acht Rädern, zwei Sitzen und der zehn Quadratmeter großen Bambusladefläche zeigt das Rad ganz andere Dimensionen und Möglichkeiten des Lastenradtransports auf.

Die Grundstruktur des sogenannten 8Rad entspricht dem eines xyz-Cargobike. Dessen Bauanleitung kann jeder im Netz finden und als Open Source kostenlos nutzen. „Der Rest ist viel Auto-Technik“, sagt Jungel. Das Fahrwerk entspreche dem eines Betonmischers. Mit einem Unterschied: Sein Fahrrad habe eine Einzelradaufhängung.

Anderthalb Jahre hat Jungel an dem Rad gearbeitet. In Serie wird es sicherlich nie gehen, Jungel wird noch nicht einmal ein zweites bauen. Schließlich ist er Künstler und kein Fahrzeugbauer. Sein 8Rad sieht er eher als Vision. „Die leere Ladefläche inspiriert Menschen, sie sehen sofort viele unterschiedliche Möglichkeiten, sie zu nutzen“, sagt er. Die einen wollen damit etwas transportieren, andere lieber etwas präsentieren.

Das 8Rad ist ein Experiment, es sprengt mit seinen Ausmaßen völlig den bisherigen Rahmen und zeigt neue Perspektiven auf.

Neben dem 8Rad gab es weitere interessante Lastenräder auf der BFS zu sehen. Sie zeigen, dass das Thema auch für Privatpersonen eine immer größere Rolle spielt. Das Angebot an Lastenrädern wird vielfältig und immer durchdachter.

© Douze
© Douze

So hat der französische Hersteller Douze, der seit 2012 auf dem Markt ist, ein teilbares Lastenrad entwickelt. Der Vorbau mit dem Lastenkorb ist abnehmbar. So kann man ihn leicht verstauen und im Auto transportieren.

Den Vorbau gibt es in drei verschiedenen Größen mit einer Ladefläche von 40, 60 und 80 Zentimetern Länge. Die Idee ist, ihn den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen. Wenn sich die Lebensbedingungen ändern und auf der vorderen Ladefläche beispielsweise keine Kinder mehr transportiert werden müssen, kann man den Vorbau gegen einen kleineren tauschen.

Ein ebenso schönes wie filigranes Lastenrad hat der Niederländer Elian Veltman mitgebracht. Das erste Exemplar hat er für sich gebaut. Doch mittlerweile fertigt er sein Modell auch für 3.900 Euro auf Kundenwunsch. Veltman hat Fahrzeugtechnik studiert und viele Jahre in einem Fahrradladen gearbeitet, bevor er sich selbstständig gemacht hat. Jetzt fertigt er sehr schlichte und hochwertige Räder in seiner eigenen Werkstatt.

© Elian
© Elian

Neben vielen stylischen Rädern, entsprechender Kleidung und Accessoires fanden sich auf der BFS immer wieder alternative Geschäftsideen. So sind zwei Berliner Unternehmen eine Kooperation eingegangen: zum einen Bagjack, die für ihre Kuriertaschen bekannt ist, zum anderen IRIEDAILY, eine Berliner Streetwear-Marke. Sie recyceln unverkäufliche neue Jeans und Softshell-Jacken. Aus Mustern oder Ladenhütern fertigen sie Werkzeug- und Fahrradtaschen, Pedalriemen und einen Oberrohrschutz. Die Idee ist, dass die Rohstoffe nicht weggeworfen, sondern weiterverwendet werden.

Der Bereich der Aussteller war auf der BFS recht überschaubar, das Rahmenprogramm – vom Bike-Polo bis zur Fotoausstellung – im Verhältnis dazu sehr umfangreich und vielseitig. Vor allem war die Hemmschwelle für Besucher, etwas auszuprobieren, relativ niedrig, weil eigentlich für jedes Leistungslevel etwas dabei war.

© Reidl
© Reidl

© Reidl
© Reidl

© Reidl
© Reidl

Ein nettes Gimmick war das Angebot „Slowbiking – der Langsamste gewinnt“. Hier konnte jeder gegen jeden fahren, entweder auf dem eigenen Rad oder auf einem City- oder Hollandrad. Ziel war es, die etwa 15 Meter lange Strecke so langsam wie möglich zurückzulegen. Eine Weile führte am Samstag ein Erwachsener namens Philip die Bestenlisten mit 3 Minuten 44 Sekunden an. Er wurde am Spätnachmittag von dem jungen Nachwuchsfahrer Justin degradiert. Dieser blieb mit seinem Trial-Bike fast 25 Minuten ausschließlich auf der Stelle stehen. Wenn er sich bewegen wollte, fuhr er bis zur Ziellinie, um dann rückwärts zur Startlinie zurückzufahren.

Als irgendwann seine Freunde neben ihm auftauchten und am Rand der Fahrbahn mit ihm plauderten, wurde ihm Slowbiking anscheinend etwas langweilig. Er harrte noch zwei, drei Minuten aus, dann hopste er auf dem Hinterrad ins Ziel. Der Weltrekord im Slowbiking liegt aktuell bei 2 Stunden, 28 Minuten und 31 Sekunden.

© Reidl
© Reidl

In den kommenden Tagen bleibt das Fahrrad in Berlin präsent. Am Dienstag stellt der Zweirad-Industrieverband die Wirtschaftsdaten des Fahrradmarktes 2013 vor. Donnerstagabend gibt es in der dänischen Botschaft einen deutsch-dänischen Erfahrungsaustausch unter der Überschrift „Radverkehr als Standortvorteil“. Am Freitag lädt die niederländische Botschaft zu einer Radtour zu „Brennpunkten des Radverkehrs“ in Berlin und am Samstag stellen die Teilnehmer die Ergebnisse dann im Rahmen der Fahrradmesse VELOBerlin vor.