Lastenräder passen in unsere Zeit: Sie sind umweltfreundlich und leise – und vor allem in der Stadt kommt man auf ihnen schnell voran. Dennoch sind sie bis auf wenige Ausnahmen kaum auf den Straßen zu sehen. Das Lastenrad ist noch lange nicht in der Gesellschaft angekommen. Warum eigentlich nicht?
Viele Menschen kommen gar nicht auf die Idee, dass sie eine Getränkekiste mit dem Fahrrad transportieren könnten. Oder dass Lastradboten voluminöse oder schwere Lasten abholen. Dabei ist das in der Innenstadt heute häufig die bessere Option als das Auto.
Diese Erfahrung hat im vergangenen Jahr auch der klassische Brief- und Paketdienstzusteller Go Express in Stuttgart gemacht. Das Unternehmen hat ein Lastenrad angeschafft und war von seinem Potenzial überrascht. Im Berufsverkehr brauche es für Aufträge etwa zur Königstraße, der Einkaufsstraße von Stuttgart, nur die Hälfte der Zeit, sagt Jürgen Braunstein von Go Express. Kunden wie die Unternehmensberatung Ernst & Young hätten nachgefragt, ob Go Express nicht den kompletten Briefverkehr im Zentrum mit dem Lastenrad abdecken könne.
Interessant ist der Transport mit dem Lastenrad im Wirtschaftsverkehr vor allem mit der Elektrifizierung der Fahrzeuge geworden. Von der Entwicklung der Antriebe hat die Branche in den vergangenen Jahren stark profitiert. Welche Fortschritte die Modelle gemacht haben und wie vielfältig und bedarfsorientiert Lastenräder heute gebaut werden, konnte man in dieser Woche beim Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Berlin sehen. Dort waren zur Abschlussveranstaltung des Projekts „Lasten auf die Räder“ etwa ein Dutzend Hersteller und Nutzer mit ihren Rädern vorgefahren.
Die Flotte im Innenhof des VCD war eindrucksvoll. Zu sehen waren Lastenräder, die aussahen wie kleine Lastwagen; Lastenräder, die ihren Strom über Solarzellen zum Teil selbst produzieren; stabile Bäckerräder, die bereits von Pizzadiensten eingesetzt werden; ein Leichtbau-Lastenrad vom Institut für Leichtbau und Kunststofftechnik (ILK) der TU Dresden.
Jedes Modell für sich war ein Hingucker. Bei manchen fragt man sich, wie und in welchem Umfang das Fahrzeug eingesetzt wird. Und genau das ist der Knackpunkt.
Zu jeder Kickstarter-Kampagne gehört heute ein kurzer Imagefilm, der zeigt, wie das Produkt funktioniert und wofür man es braucht. Warum gibt es so etwas nicht für Lastenräder? Die Hersteller haben häufig tolle Produkte, die potenziellen Kunden kennen sie aber nicht. Vor allem ahnen sie nicht, für welche Zwecke welches Lastenrad geeignet ist. Hier ist noch viel Öffentlichkeitsarbeit nötig.
Einen Beitrag dazu hat der VCD mit seiner Website geleistet. Wer sich erstmals über Lastenräder informieren will, findet hier Infos. Interessant ist der Kostenrechner, der das Einsparpotenzial der verschiedenen Räder im Vergleich zum Auto berechnet.
Wasilis von Rauch und Arne Behrensen, die VCD-Projektmanager von „Lasten auf die Räder“, waren im vergangenen Jahr im Rahmen des Projekts sehr umtriebig und haben viel Basisarbeit in Städten und Kommunen geleistet. Sichtbar auf den Straßen hat sich in dem Zeitraum allerdings wenig verändert. Es gibt immer wieder kleine Projekte – wie jetzt in München, wo für ein Jahr 13 Lastenräder an Gewerbetreibende ausgegeben wurden. Das ist ein Anfang, aber es ist wenig. Insbesondere wenn man sich die Erfahrungen aus dem Projekt „Ich ersetze ein Auto“ ansieht.
Hier wurde bereits festgestellt, dass es durchaus funktioniert, einen Teil des innerstädtischen Warenverkehrs auf Lastenräder zu verlagern. Damals waren deutschlandweit 40 Elektro-Lastenräder im Einsatz. Der nächste Schritt wäre ein umfassendes wegweisendes Projekt in einer Modellregion, wo innerstädtischer Warenverkehr im größeren Stil auf Lastenräder verlagert wird und in das die Erfahrungen aus dem Projekt „Ich ersetze ein Auto“ einfließen. Damit könnten auch die Planer und Verwalter von Fuhrparks erreicht werden.
Die Autorin war Mitglied im VCD-Beirat „Lasten auf die Räder“.